„Härtefallfonds“ für Ost-RentnerInnen: Schwacher Trost nach über 30 Jahren

Viele Ostdeutsche bekommen weniger Rente, als ihnen zustehen sollte. Doch der versprochene „Härtefallfonds“ für sie lässt unverändert auf sich warten.

Eine Frau an einer Drehbank in einem Getriebewerk der DDR

Opfer der Wende: Vorallem Frauen in Ostdeutschland bekommen oft zu wenig Rente Foto: Paul Glaser

DRESDEN taz | Im Bundestagswahlkampf 2017 entdeckte sich die SPD als Kümmererpartei Ost neu. Halb aus Überzeugung, halb aufgeschreckt von Pegida und AfD nahm sie sich relevanter ostdeutscher Bevölkerungsgruppen an, die durch Versäumnisse im Rentenüberleitungsgesetz von 1991 Verluste hinnehmen mussten.

Vom „Gerechtigkeitsfonds“, den die ostdeutschen SPD-Landesverbände mit Mühe im damaligen Bundestagswahlprogramm unterbrachten, blieb allerdings im Vertrag der Großen Koalition nur ein Satz zu einem geplanten „Härtefallfonds“. Ein Vierteljahr vor Ablauf der Legislaturperiode aber sind noch nicht einmal dessen Konditionen beschlossen worden.

„Die nicht erfolgte Übernahme bestimmter Sondertatbestände des DDR-Rentenrechts in das gesamtdeutsche Rentenrecht wird von bestimmten Berufs- und Personengruppen als nicht hinreichende Anerkennung ihrer Lebensleistung und dauerhafte Benachteiligung wahrgenommen.“ – So beginnt ein Eckwertepapier aus dem Bundesarbeits- und Sozialministerium zum Härtefallfonds, über das nun die Bundesländer beraten sollen.

Ein runder Tisch schätzte anfangs die Zahl dieser Betroffenen auf bis zu 700.000. Doch drei Jahrzehnte Verschleppung des Problems und die damit einhergehende „biologische Lösung“ haben die Zahl möglicher Entschädigungsempfänger deutlich sinken lassen.

Vor allem geschiedene Frauen betroffen

Den größten Anteil unter den 17 Personengruppen stellten die etwa 300.000 nach DDR-Recht geschiedenen Frauen. Ungefähr ein Drittel lebt noch, schätzt der Verein, in dem sie organisiert sind. Bei ihnen geht es nicht um Einzahlungen in DDR-Sonderversorgungssysteme. Ihnen entgeht der in Westdeutschland übliche Versorgungsausgleich, weil nach einem Verfassungsgerichtsurteil ihre geschiedenen Männer nicht nachträglich zu diesen Zahlungen herangezogen werden dürfen.

Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe ist sich bislang nur darin einig, außerhalb des Rentenrechts einen Entschädigungsfonds mit fünf Jahren Laufzeit einzurichten. Er soll auch „Härten und enttäuschte Erwartungen in der Alterssicherung von Spätaussiedlern und jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion“ berücksichtigen, wie es im Eckwertepapier heißt.

Statt eines rückwirkend errechneten Ausgleichs für errechnete Verluste soll es nur eine einmalige symbolische Zahlung an die noch lebenden Betroffenen geben. Damit hatte sich der Verein der geschiedenen Frauen 2018 einverstanden erklärt. Dessen wichtigste Beraterin Marion Böker aus Berlin erinnert daran, dass allein für diese Frauen anfangs ein Ausgleichsbedarf von 53 Milliarden Mark errechnet worden war. Der SPD schwebte 2017 ein mit ein bis zwei Milliarden Euro ausgestatteter Fonds vor.

Die jetzt debattierte Größenordnung gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen. Geht es um Summen, stehen im Eckwertepapier nur drei Kreuze. Die Geldfrage dürfte die Hauptursache für den schleppenden Fortgang der Verhandlungen sein, nachdem sich eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe schon im Juli 2020 auf Staatssekretärs­ebene abgestimmt hatte. Jedenfalls liege die Verzögerung nicht an der Coronapandemie, bestreitet Beraterin Böker eine Erklärung des sächsischen Sozialministeriums.

Symbolische Geste

Statt der ursprünglich vorgesehenen Beschränkung auf die sechs ostdeutschen Beitrittsländer soll die geplante hälftige Mitfinanzierung des Fonds nun von allen 16 Bundesländern getragen werden. Bundesfinanzministerium und Regierungskabinett haben sich so verständigt. Zwischen Bund und Ländern laufen derzeit Abstimmungen, „insbesondere über die wesentliche Frage einer Finanzierung“, teilte eine Sprecherin des Bundesarbeits- und Sozialministeriums auf Anfrage mit.

Begrüßt wird von den potenziellen Antragstellern, dass es nach drei Jahrzehnten zumindest eine symbolische Anerkennung geben soll. Gegen die vorgesehenen Konditionen aber laufen die Betroffenengruppen Sturm. Der Verein, der in der DDR geschiedenen Frauen, verlangt eine Rücknahme der im Eckwertepapier formulierten Anspruchskriterien, die 70 Prozent von einer Entschädigung ausschließen würden. Nur wer mit seiner Armutsrente „in der Nähe der Grundsicherung“ liegt, soll einen Antrag stellen dürfen.

Außerdem mussten die Frauen am 1. Januar 1992 bereits das 40. Lebensjahr vollendet haben, zuvor eine ununterbrochene zehnjährige Ehe geführt und mindestens ein Kind erzogen haben.

Die vorgesehenen Fristen kommen bei den meist Hochbetagten übel an. Erst zum Jahreswechsel 2022/23 sollen erste Anträge gestellt werden dürfen. Einen makabren Trost bietet das Eckwertepapier jenen, die vor der Auszahlung sterben: Sie sollen die Einmalzahlung zumindest vererben dürfen.

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