Linken-Abgeordnete über trans Rechte: „Hürdenläufe sind nicht zumutbar“

Trans Personen sollen Anspruch auf bestimmte Leistungen bekommen, sagt die Linke Doris Achelwilm. Etwa, um Perücken oder Operationen finanzieren zu können.

Portrait von Doris Achelwilm.

Doris Achelwilm Foto: Cosima Hanebeck

taz: Frau Achelwilm, Sie fordern und beantragen im Bundestag, dass die Krankenkassen die Bedarfe von trans Personen anerkennen. Was genau heißt das?

Doris Achelwilm: Trans Personen müssen die nötigen und von ihnen gewünschten Behandlungen vornehmen können, sofern sie ein Rezept und die Überweisung dafür haben. Derzeit läuft es über den Umweg von Anträgen, die die Krankenkassen prüfen. Manche werden bewilligt, zu viele aber abgelehnt.

Um welche Anträge geht es dabei?

Die trans Gesundheitsversorgung umfasst Hormonersatztherapie, Hilfsmittel wie Perücken und Kompressionswesten, Logopädie, dauerhafte Haarentfernung sowie chirurgische Eingriffe im Brust- und Genitalbereich. Hormonbehandlung und Logopädie gehen per Rezept. Für alles andere muss die Kassenleistung individuell beantragt werden. Das kann von den Krankenkassen bewilligt werden, muss aber nicht, solange es keinen gesetzlichen Leistungsanspruch gibt.

Den fordern Sie aber?

Ja. Wir wollen, dass diese Gesundheitsleistungen gesetzlich garantiert sind, sofern sie auf Wunsch und nach Rücksprache verordnet wurden. Wenn eine Person mit ihrer Geschlechts­identität und ihrem Körper nicht selbstbestimmt umgehen darf, und wenn sie nicht bewilligt bekommt, was sie braucht, um sich okay fühlen zu können, macht genau das nachweislich krank. Die ewigen Hürdenläufe sind nicht länger zumutbar. Auch die Vorgabe von Psychotherapien als Ersatz der eigentlich gefragten Leistungen vonseiten der Kassen muss beendet werden.

44, ist Mitglied der Linken und sitzt seit 2017 im Bundestag. In der Links­fraktion ist sie Sprecherin für Gleichstellung, Medienpolitik und Queer­politik.

Was genau passiert da?

Aktuell verpflichten die Kassen trans Personen vor Bewilligung einer geschlechtsangleichenden Maßnahme zu zwölf Sitzungen à 50 Minuten psychotherapeutischer Art. Dieser hoffnungslos veraltete, fachlich unseriöse Ansatz darf nicht mehr praktiziert werden. Psychotherapien müssen berufsrechtlich sowieso auf eigenen Willen erfolgen, nicht fremdbestimmt. Die Bundespsychotherapeutenkammer kritisiert dieses Vorgehen der Kassen deutlich. Es darf auch nicht darum gehen, hier Kosten für medizinische Maßnahmen zu sparen.

Ist Psychotherapie nicht selbst ganz schön teuer?

Wir brauchen jeden Therapieplatz für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die eine Therapie wollen. Aber nicht für unnötige, unwirksame Zwangstherapien.

Soll es keine psychologische Beratung mehr geben?

Doch, wer sie möchte, kann sie in Anspruch nehmen. Aber so, wie das momentan läuft, ist das vielfach Schikane für die Betroffenen. Wir fordern deshalb, das Antragsverfahren durch die direkte Abrechnung medizinischer Behandlungen mit den Kassen zu ersetzen.

Ist dafür eine Gesetzesänderung nötig?

Theoretisch können die Kassen selbst ihre Vorgaben schon jetzt deutlich verbessern, das ist ja auch eine Frage von Richtlinien und genutzten Spielräumen. Aber um die ablehnende und verzögernde Praxis der Kassen stabil zu ändern, muss letztlich der Gesetzgeber ran.

Anfang 2022 ersetzt die Weltgesundheitsorganisation die Diagnose „psychische Identitätsstörung“ bei trans Personen zugunsten einer „Geschlechtsinkongruenz“ in der internationalen Klassifikation von Krankheiten und Gesundheitsproblemen. Welche Auswirkungen hat das auf die deutschen Regelungen?

Nötig ist jetzt, gesetzlich zu verankern und klarzustellen, dass es international anerkannte neue Standards und Fortschritte gibt. Trans Personen dürfen nicht länger pathologisiert werden, jetzt muss es darum gehen, geschlechtliche Selbstbestimmung anzuerkennen und dafür die bisherigen Barrieren im Gesundheitssystem abzubauen.

Was bedeutet die bisherige Praxis für trans Personen?

Sie müssen sich rechtfertigen, bemustern lassen, dauernd Auflagen erfüllen, Druck und Willkür aushalten. Mit Widersprüchen stehen sie oft allein da. Nicht zuletzt hängt es vom sozialen Status ab, ob sie sich die nicht bewilligten Leistungen selbst finanzieren können oder nicht, wie sie ihre Geschlechts­inkongruenz behandeln können oder ertragen müssen. Aber Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht, auch auf materieller Ebene, wenn sie Geld kostet. Sie muss für alle zugänglich sein.

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