Nationalismus in Kroatien: Mit Kriegsverbrechern auf Du und Du

Kroatiens Staatschef Zoran Milanović macht sich mit Kriegverbrechern gemein. Das spielt radikalen Kräften in die Hände, die Bosnien spalten wollen.

Eine alte Frau mit Kopftuch und Mundschutz betet auf einem Friedhof mit weißen säulenförmigen Grabsteinen

Eine Frau betet am 16. April für die Opfer von Ahmići auf dem Friedhof im zentralbosnischen Vitez Foto: Armin Durgut/imago

SPLIT taz | Fassungslos standen Mitte April 1993 UN-Soldaten und Journalisten vor verkohlten Leichen in den niedergebrannten Häusern des Ortes Ahmići in Zentralbosnien. Am Morgen des 16. April 1993 waren Truppen des Kroatischen Verteidigungsrates (HVO) in den Ort eingedrungen, hatten die muslimisch-bosniakischen Bewohner in ihre Häuser eingesperrt und dann mit Benzin übergossen. Über 117 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, fanden so einen grausamen Tod.

Dies alles wäre nur eine weitere traurige Geschichte im Schatten des Bosnienkrieges, wenn nicht der kroatische Staatspräsident Zoran Milanović in dieser Woche Vertreter der kroatisch-bosnischen Truppen zu sich ins Präsidentenpalais in Zagreb eingeladen hätte. Unter ihnen war auch Tihomir Blaškić, der HVO-Kommandeur der Region, der vom UN-Tribunal in Den Haag wegen Ahmići in erster Instanz zu 45 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Mittlerweile ist er, wie fast alle wegen Kriegsverbrechen verurteilten Kroaten, jedoch wieder auf freiem Fuß.

Milanović ließ es sich nicht nehmen, die damaligen Kommandeure für ihre Verdienste bei der „Verteidigung der Kroaten in Bosnien und Herzegowina“ und in Kroatien selbst zu belobigen. Über die Opfer der Kriegsverbrechen verlor er kein Wort. Wurden in Ahmići mit dem Mord an Zivilisten wirklich die Kroaten Bosniens verteidigt? Milanović stellte sich vor die HVO und kritisierte die Urteile des UN-Tribunals in Den Haag als „politisch“.

Doch die Wahrheit ist nicht mehr zu leugnen. Der Massenmord in Ahmici war der Auftakt zum so genannten „Krieg im Kriege“. Ab April 1993 griffen kroatisch-bosnische Truppen den schon von serbischer Seite zerstückelten bosnischen Reststaat an. Nun wollten auch die kroatischen Nationalisten einen Teil Bosnien und Herzegowinas für sich erobern und nach serbischem Vorbild „ethnisch säubern“. Sie bauten dort ihren Parastaat „Herceg-Bosna“ auf.

Wiedererrichtung des dritten Teilstaates

Der wurde aufgrund amerikanischen Drucks gegenüber Kroatien1994 allerdings wieder aufgelöst, doch die heutigen kroatischen Extremisten in Bosnien und Herzegowina verfolgen weiterhin das Ziel, eben diesen dritten Teilstaat, also Herceg-Bosna, wieder zu errichten. Ungeniert posieren ihre Spitzenvertreter wie der heutige Chef der HDZ-BiH Dragan Čović mit internationalen Diplomaten vor der Flagge des ehemaligen Parastaates Herceg-Bosna. Čović bekommt Rückendeckung aus Zagreb und sogar von der internationalen Gemeinschaft.

Die kroatische Regierungspartei HDZ lobbyiert in Brüssel für die politischen Ziele ihrer herzegowinischen Schwesterpartei. Die Kroaten wollen mit aller Macht durchsetzen, dass das Wahlgesetz in Bosnien und Herzegowina zugunsten der Kroaten verändert und Wahlkreise zu ihren Gunsten zugeschnitten werden.

Diese Politik hat zum Ziel, die Gesellschaft weiterhin bis ins Kleinste ethnisch aufzuteilen. Weil auch internationale Diplomaten wie der EU-Missionschef in Bosnien, Johann Sattler, und der US-Botschafter in Sarajevo, Eric Nelson, Verständnis für die politischen Ziele der Ethnonationalisten zeigen, haben sich die politischen Spannungen in Bosnien wieder verschärft.

Denn die Zivilgesellschaft, die nichtnationalistische Linke und die Mehrheit der Bosniaken verteidigen die jahrhundertelange Tradition des Zusammenlebens der Religionen, Nationen und Minderheiten und damit auch Toleranz und Demokratie. In Kroatien aber werde die Geschichte in Bezug auf Bosnien revidiert und in eine nationale Erzählung eingepasst, die kaum etwas mit der geschichtlichen Wahrheit zu tun hat, beklagen seit Jahren Intellektuelle und Menschenrechtler aus Zagreb, Mostar und Sarajevo.

Vom Krieg profitiert

Dragan Čović ist Geschichtsrevisionist und gehört zu denjenigen Wendehälsen und führenden Funktionären der Nationalisten, die persönlich vom Krieg und danach profitiert haben. Mit Beginn des Krieges 1992 privatisierte er den jugoslawischen Flugzeughersteller SOKO. Die Fabrik gibt es nicht mehr, wohl aber die „privatisierten Liegenschaften“.

Der Freund der Diplomaten Dragan Čović leugnet jegliche Mitschuld an den Verbrechen während des Krieges. Tausende von Bosniaken wurden bis März 1994 in den Lagern Dretelj, Gabela und Heliodrom bei Mostar unter KZ-ähnlichen Bedingungen interniert. Jetzt deckte die kroatische Wochenzeitung Nacional auf, dass Dragan Čović damals Gefangene aus den Lagern für Arbeiten in seiner Firma angefordert hatte.

In der Sendung „Nedjeljom u dva“ bat der Journalist Aleksandar Stanković Čović ein von ihm unterzeichnetes Dokument vom Juni 1993 zu kommentieren, in dem er die Leitung des Heliodroms um Häftlinge für Zwangsarbeit im Soko-Komplex bat. Dragan Čović bestritt die Echtheit des Dokuments. Doch es gibt noch weitere Dokumente und Aussagen ehemaliger Häftlinge, die ihn schwer belasten.

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