André Zuschlag über illegale Datenabfragen durch Po­li­zis­t:in­nen
: Zu viele Einzelfälle

Trivial wirkt der gestrige Prozess vor dem Hamburger Landgericht auf den ersten Blick: Eine Polizistin hatte den als „Milliarden-Mike“ bekannten Betrüger mit Infos aus den Computern der Polizei versorgt: ob gegen ihn gerade ein Haftbefehl vorliege, zum Beispiel. Er wolle nämlich demnächst verreisen und ungern am Flughafen eine böse Überraschung erleben. Das ließe sich zwar auch mit etwas Belustigung aufnehmen, doch auf den zweiten Blick macht der Fall ein Alltags- und damit Grundsatzproblem sichtbar: illegale Datenabfragen und -weitergaben durch Polizist:innen.

Das ist kein Einzelfall, der nun vor Gericht gelandet ist: Zwischen 2018 und 2020 wurden bundesweit mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren wegen unberechtigter Datenabfragen gegen Po­li­zei­be­amt:in­nen eröffnet. Das ergab eine Recherche der Welt am Sonntag. Nur mutmaßen lässt sich, wie hoch wohl die Dunkelziffer ist. Dass die angeklagte Polizistin zufällig aufflog, weil ihre Kol­le­g:in­nen „Milliarden-Mike“ wegen anderer Vorwürfe überwachten, lässt jedenfalls von einer ziemlich hohen Ziffer ausgehen.

Es sind nicht nur kleine Gefälligkeiten aus Freundschaft oder gegen ein bisschen Bargeld, die zur illegalen Datenweitergabe führen. Und es wäre schon schlimm genug, wenn die Daten, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion einmal erklärte, einzig aus Neugier oder privatem Interesse abgefragt würden. Wohin das führen kann, zeigen die Drohbriefe des sogenannten „NSU 2.0“: Darin waren Informationen über die Bedrohten enthalten, die zuvor auf Polizeicomputern abgerufen worden waren.

Nun mag es verständlich sein, dass der Staat seinen Bediensteten eine Menge Vertrauen entgegen bringt, wodurch sich die fehlende Kontrolle der dienstlichen Notwendigkeit von Datenabfragen erklären lässt. Doch bei so vielen Einzelfällen hat die Polizei als Kollektiv das Vertrauen verspielt. Sie müsste dringend mit Konsequenzen in Form von strengeren Vorgaben und besserer Aufsicht bei Datenabfragen rechnen.