Studium mit Virus

„Viele Probleme sind seit einem Jahr dieselben“, klagt Jonathan Dreusch vom Vorstand des fzs, des Freien Zusammenschlusses von Student*innenschaften. „Onlinelehre funktioniert nicht, mangelnde Technik, schlechtes Internet, viele Studierenden haben keine geeigneten Räumlichkeiten.“ Die finanzielle und psychische Lage werde immer schwieriger. Es brauche endlich Lösungen, fordert er.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung findet die Maßnahmen für Studierende in pandemiebedingter Notlage nach eigener Aussage „angemessen“. Im Februar lag die Zusagequote für Zuschüsse bei 75 Prozent. Dreusch reicht das nicht: „Viele Anträge werden abgelehnt, weil die Kriterien schwer zu erfüllen sind.“ Als Nachweis braucht es unter anderem eine Kündigung, zwei Jobabsagen oder eine Selbsterklärung. Die Selbsterklärung zur Notlage werde aber oft nicht akzeptiert, sagt Dreusch. Absagen seien schwer zu bekommen, da es „kaum Stellen gibt, und wenn, bekommt man selten eine schriftliche Absage“.

Je länger die Pandemie dauere, desto mehr gehe es auch für Studierende an die Psyche: „Wir erhalten Zuschriften von Studierenden, dass es ihnen schlecht geht.“ Die psychosoziale Beratung müsse ausgebaut werden. Außerdem benötige man mehr Lehrpersonal, meint Dreusch: „Normalerweise kann ich nach der Vorlesung mit der Pro­fessorin quatschen. Das geht bei einer Videokonferenz schwieriger, bei einer Aufzeichnung gar nicht.“

In den Coronadebatten von Bund und Ländern spielen Studierende und Hochschulen kaum eine Rolle. Durch Petitio­nen und Kundgebungen versuchten Studierende auf sich aufmerksam zu machen. „Doch niemand möchte sie hören“, beklagt Dreusch. Immerhin sei die Forderung nach einer Regelstudienzeitverlängerung fast überall erfolgreich gewesen. Die Kampagne #NichtNurOnline, die Öffnungschancen für Hochschule fordert, sieht Dreusch dagegen kritisch. „Es ist nicht das drängendste Problem, wieder im Hörsaal zu sitzen. Das wäre nicht sicher.“ Stattdessen fordert er die Hochschulen auf, in den nun leerstehenden Gebäuden Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen: „Die meist kleinen WG-Zimmer eignen sich nicht fürs Homeoffice.“

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter-André Alt verweist auf die Gefahr, „dass die Hochschulen zu Hotspots der Pandemie werden“. Deshalb sei die Lehre weiterhin online, trotz „Sorgen über die sozialen Folgen. Viele Studierende haben ihren Hochschulort verlassen, um Kosten zu sparen, manche sind wieder zu ihren Eltern gezogen. Das führt auch dazu, dass junge Menschen bei den ersten Schritten in ein selbstständiges Leben ausgebremst werden“, sagt Alt. Seiner Meinung nach haben sich die Dinge technisch „nach den ersten Anlaufschwierigkeiten gut eingespielt“. Bedarf gebe es weiterhin bei der Infrastruktur, Fachpersonal oder Fortbildungen. „Die Pandemiesituation hat zudem besonders deutlich gemacht, dass es einen erheblichen Bedarf bei der studentischen Infrastruktur, etwa angemessene Internetzugänge in Wohnheimen, und generell bei der Wohnraumsituation gibt“, sagt Alt.

Mareike Andert