Urteil gegen bestechliche Polizistin: Banalitäten aus dem Polizeicomputer

Das Hamburger Landgericht verurteilt eine Polizistin, die einem Betrüger polizeiliche Auskünfte verkaufte, zu einer Bewährungsstrafe.

Die Angeklagte steht zu Beginn des Prozesses im Sitzungssaal, hinten rechts ist der Mitangeklagte "Milliarden-Mike" zu sehen.

Prozessauftakt am Hamburger Landgericht: Vorne links die Angeklagte, hinten rechts „Milliarden-Mike“ Foto: dpa/Marcus Brandt

HAMBURG taz | Wäre dies nicht eine Verhandlung im nüchternen Saal 337 des Hamburger Landgerichts, würde man sagen, dass der Plot ein bisschen dick aufgetragen ist: Auf der einen Seite eine Polizistin in Berlin, alleinerziehend, die wegen ihrer Glücksspielschulden keinen anderen Ausweg mehr weiß, als über Facebook wahllos Prominente um Geld zu bitten. Und auf der anderen Seite ein verurteilter Betrüger, in der Presse bekannt als „Milliarden-Mike“, der als einziger auf ihren Hilferuf reagiert. Etwa 2015, ganz genau kann das Gericht es nicht rekonstruieren, treffen sich die beiden im Berliner Nobelhotel Kempinski.

Das ist der Anfang, das Ende ist ein Prozess wegen gewerbsmäßiger Bestechlichkeit in zehn Fällen gegen Stefanie H. und wegen Bestechung gegen Peter-Mike W. Die damalige Polizistin hat zwischen 2018 und 2019 für den 65-jährigen W. Informationen im polizeilichen Auskunftssystem eingeholt – und dafür 500 Euro von ihm bekommen. Nicht viel, sagt die Vorsitzende Richterin, wenn man bedenkt, dass sie dafür ihren Job nebst Pensionsansprüchen verloren hat.

Die 45-jährige H. ist eine schma­le Person mit blondem Pferdeschwanz und leiser Stimme, die ihren Kopf verbirgt, als das Fotografenrudel in den Saal kommt. W. ist ein kräftiger Mann in schwarzem Jackett und blendend weißen Turnschuhen, derzeit verbüßt er eine Haftstrafe wegen Betrugs. „Seit wann verdecke ich mich“, ruft er den Fotografen entgegen.

Was 2015 im Hotel geschah, kann das Gericht nicht klären, der Staatsanwalt sagt in seinem Plädoyer, es sei für die Anklage nicht erheblich. Stefanie H. deutet nur an, dass W. ihr 100.000 Euro für Sex in Aussicht gestellt hat. „Für 100.000 Euro bekomme ich einen ganzen Puff“, sagt W. laut in einer Verhandlungspause. Er gibt zu, nie ernsthaft daran gedacht zu haben, H. das Geld zu geben. Er habe „das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden“, so fasst er die Beziehung zusammen. Die Frage bleibt vage, wohl auch auf Rücksicht auf die Angeklagte, die Milliarden-Mike, so erklärt seine Anwältin, auf keinen Fall vor Gericht habe sehen wollen.

Stefanie H. sagt, sie sei einmal eine „Vorzeigepolizistin“ gewesen, wurde dann auf eigenes Verlangen aus dem Dienst entlassen

Beide sagen umfangreich aus. Stefanie H. erzählt, wie sie sich letztendlich ihrem Arbeitgeber offenbart und Privatinsolvenz angemeldet hat. Sie fängt sich, bekommt mit ihrem jetzigen Lebensgefährten ein zweites Kind. Doch dann holt die Spielsucht sie wieder ein. Vor Gericht betont sie, dass das kein finanzielles Problem gewesen sei: mit Kindergeld, Unterhalt und Gehalt habe sie 4.000 Euro zur Verfügung gehabt, da habe sie 2.000 Euro Spielverlust pro Monat verkraftet.

Warum sie W. immer wieder kontaktiert hat? „Ich wollte, dass er dafür bezahlt“, sagt sie und das „dafür“ ist das Treffen im Hotel und die gebrochene Vereinbarung. „Es war ein Kreis, aus dem ich nicht herauskam.“ Schillernd ist der Ton einer der Sprachnachrichten, die sie an W., der erst kürzlich im Gefängnis lesen gelernt hat, schickt, nachdem sie Geld von ihm bekommen hat: „Wir sind quitt. Aber noch nicht mal annähernd. Genieß’ das schöne Wetter, ganz liebe Grüße.“

Wer die Auskünfte initiiert hat, kann das Gericht nicht klären. Aufgeflogen ist die Sache zufällig, weil W. telefonisch überwacht wurde. Bezahlt hat er nur zögerlich – für Informationen, die das Gericht für „banal“ erklärt: das Geburtsdatum eines Freundes, der sein Alter nicht verraten wollte. Die Frage, ob W.s damalige Lebensgefährtin wieder ihre Fahrerlaubnis habe. Ob W. „sauber sei“, sprich kein Haftbefehl wegen unbezahlter Geldstrafen gegen ihn vorliege. Es sei ihm unangenehm gewesen, am Flughafen deswegen einmal aus der Schlange gezogen worden zu sein, sagt sein Anwalt.

Dann kommen die Zukunftsaussichten der Angeklagten zur Sprache: Stefanie H., die sagt, sie sei einmal eine „Vorzeigepolizistin“ gewesen, ist auf eigenes Verlangen aus dem Polizeidienst entlassen worden. Sie arbeitet in einem Ein-Euro-Laden, aber hat Aussicht auf eine Stelle als Büroschreibkraft. „Ich will einfach eine normale Mutter sein, die nachmittags nach Hause kommt und mit ihren Kindern Spaß hat“, sagt sie weinend. W. hat diverse Filmangebote, pro Dreh für eine Serie soll es 11.000 Euro geben, sagt seine Anwältin.

Es sei verdammt blauäugig für eine Polizistin, sich von einem Betrüger Geld versprechen zu lassen, sagt die Richterin. Und verurteilt Stefanie H. zu einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung. Peter-Maik W. erhält zusätzlich zu seiner alten Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten neun weitere Monate.

Bemerkenswert als Fußnote: laut W. haben ihn inzwischen eine weitere Polizistin sowie ein pensionierter Staatsanwalt um Geld angepumpt.

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