Antisemitismus und Strafrecht: Komplexe Abgrenzungen

Wenn es um Israel geht, ist wenig einfach und eindeutig. Das sollte auch die Berliner Polizei bei ihren Ermittlungen berücksichtigen.

Menschen bei einer Demonstration mit Palästinaflagge.

Kritik an der israelischen Regierungspolitik ist erlaubt, antisemitische Hetze ist verboten, Demo in Berlin am 15. Mai Foto: M. Golejewski/Adora Press

Kritik an der israelischen Regierungspolitik ist erlaubt, antisemitische Hetze ist verboten. Das ist weitgehender politischer Konsens in Deutschland. Allerdings ist die Grenze oft schwer zu bestimmen.

Polizei und Justiz sollten sich daher auf eindeutige Fälle konzentrieren. Es gibt leider genug und viel zu viele. Wer sich vor einer Synagoge versammelt und „Scheißjuden“ brüllt, kann sich nicht darauf berufen, dass er eigentlich die Politik von Israels Ministerpräsdent Netanjahu anprangern wollte.

Wer aber vor der israelischen Botschaft „Kindermörder Israel“ skandiert, ist Teil des politischen Diskurses zur Gewalteskalation in Nahost. Die Meinungsfreiheit schützt auch widerwärtige, extrem einseitige, dumme und polemische Äußerungen.

Dass die Abgrenzung rechtspolitisch und in der Praxis komplex ist, zeigt das Beispiel der Flaggenverbrennung, die in Deutschland erst seit einem Jahr strafbar ist. Eigentlich drückt das Verbrennen einer ausländischen Flagge die Kritik an diesem Staat aus, zwar zugespitzt und aggressiv, aber die Flagge ist eigentlich eindeutig ein staatliches Symbol.

Arabische Israelis Bürger zweiter Klasse

Allerdings enthält die israelische Flagge mit dem Davidstern auch ein Symbol für das Judentum. Und das Verbrennen dieser Flagge kann in seiner zerstörerischen Symbolik leicht auch als Verneinung des Existenzrechts Israels verstanden werden.

Zugleich ist die Definition Israels als „jüdischer Staat“ aber auch eine politische Entscheidung, die in ihrer derzeitigen Ausgestaltung arabische Israelis zu Bürgern zweiter Klasse macht und deshalb auch kritisierbar sein muss. Dass sich Deutschland zum Existenzrecht Israels bekennt, ist wegen der übergroßen Schuld des Holocaust selbstverständlich.

Aber es ist auch bequem, dasselbe von Palästinensern (und ihren Sympathisanten) zu verlangen, für die die Gründung und Expansion des Staates Israel durchaus dramatische Folgen hatte. Wenn es um Israel geht, ist wenig einfach und eindeutig. Das sollte die Berliner Polizei berücksichtigen, wenn sie gegen „israelfeindliche Parolen“ vorgeht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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