Das alte Leben kehrt langsam zurück

Eine anhaltende Inzidenz unter 100 macht Lockerungen möglich. Ab Mittwoch fällt die Ausgangssperre, danach sind auch draußen essen, Filme schauen und schwimmen wieder erlaubt

Freie Bahn für alle Foto: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Mit dem Wegbier durch die Nacht

Das mit den angedrohten Bußgeldern war eher pro forma. Der Senat hatte Anfang April verschiedene Geldstrafen beschlossen, um die nächtliche Ausgangssperre auch wirklich durchzusetzen. Unterwegssein in Gruppen ab drei Personen, die nicht zur Familie gehören, hätte zwischen 25 und 250 Euro gekostet, wenn – ja, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre. Im Friedrichshainer Nordkiez etwa hätte man öfter abkassieren können, so ganz subjektive Beobachtungen vom Balkon aus. Aber das sind ja die schönen Seiten der Großstadt: Wer will das schon alles kontrollieren?

Doch mit der Kontrolle ist es jetzt glücklicherweise erst mal wieder vorbei, der Bußgeldkatalog sehr bald Geschichte. Denn am Mittwoch fallen endlich die Ausgangsbeschränkungen. Es gilt dann nicht mehr das einengende Dogma, nachdem sich alle Personen von 22 bis 5 Uhr „ständig in ihrer Wohnung“ aufhalten müssen. Man kann wieder einfach so vor die Tür gehen, egal wie spät es ist, egal, was man vorhat. So fühlt sich (etwas wiedergewonnene) Freiheit an.

Künftig gilt ganztags, dass man sich im öffentlichen Raum allein oder mit festem Partner beziehungsweise den Angehörigen des eigenes Haushalts oder mit Angehörigen eines weiteren Haushalts aufhalten kann – bei einer Personenobergrenze von fünf. Und auch das nächtliche Besuchsverbot fällt ab Mittwoch weg (bislang galt von 21 bis 5 Uhr ein absolutes Besuchsverbot).

Mit Öffnung der Außen­gastronomie (siehe Text unten) ab Freitag geht eine weitere Lockerung einher: Das klassische Wegbier oder der Sekt für die abendliche Kleinstparty im Park darf wieder bis 23 Uhr verkauft werden, ab dieser Stunde bis 5 Uhr aber bleibt der Alkoholverkauf weiter verboten.

Andreas Hergeth

Heraus mit dem Federvieh

Zwischendrin eine wichtige Meldung für alle Hühner-, Puten- und Enten- oder Gänsefreunde in Berlin: Ihre Lieblinge dürfen von diesem Samstag an auch in der Hauptstadt wieder ins Freie! Denn die Stallpflicht wegen der Geflügelpest wird aufgehoben, wie die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz mitteilte. Die galt seit März dieses Jahres, um eine Übertragung des gefährlichen Erregers zu verhindern. Und weil der letzte Fall vor fast vier Wochen bei einem Wildvogel entdeckt wurden ist, kann alles Geflügel wieder ins Freie. Die Brandenburger Hühner & Co durften das übrigens schon Anfang Mai.

Ach so, bislang wurden nach Senatsangaben 21 Fälle der Geflügelpest nachgewiesen – bei 20 Wildvögeln und lediglich einem Tier eines privaten Geflügelhalters. (heg)

Bäder frei!

Auch die Frei- und Sommerbäder dürfen bei weiterhin niedrigen Inzidenzzahlen ab Freitag unter Hygieneauflagen endlich öffnen. Mindestens elf Bäder würden dann in die Saison starten, erklärte die Sportverwaltung (vorigen Freitag). Funktionieren soll das Ganze wie im vergangenen Jahr mit vorher online zu buchenden und zu bezahlenden Zeitfenster-Tickets. Außerdem müssen Be­su­che­r*in­nen einen negativen Schnelltest vorlegen. Wie in anderen Bereichen auch dürften dann Tests gelten, die innerhalb der vergangenen 24 Stunden durchgeführt wurden. Details wollen die Berliner Bäder Betriebe (BBB) am Dienstag auf einer Pressekonferenz bekannt geben.

Dann wird man wohl auch erfahren, ab wann das Online-Buchungssystem startet. Am Montag jedenfalls war die Buchung eines Zeitslots in einem Sommerbad noch nicht möglich. Bei erwarteten maximal 16 Grad ist der Auftakt am Freitag eh etwas für Hartgesottene.

Bereits vor einer Woche hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) angekündigt, während der Sommerferien Kindern bis zu 12 Jahren freien Eintritt in die Schwimmbäder zu gewähren. Wie das finanziert werden soll, wird derzeit zwischen Sportverwaltung und BBB verhandelt. „Ich bin mir sicher, dass wir hier eine gute Lösung im Sinne der Kinder und Familien finden – diese haben nach diesen harten Monaten kostenlosen Badespaß verdient“, sagte Innen- und Sportsenator Andreas Geisel.

Susanne Memarnia

Draußen essen

Was für viele Ber­li­ne­r*in­nen ein großes Stück „Freiheit“ zurückbringen wird: Ab Freitag dürfen Cafés, Restaurants, Biergärten und Co. wieder ihre Stühle rausstellen. Große gesellige Runden wird es vorerst aber nicht geben: „Es gelten die Kontaktbeschränkungen für den öffentlichen Raum im Freien“, heißt es dazu im Senatsbeschluss von Freitag. Das bedeutet, Treffen mit maximal zwei Haushalten aus fünf Personen sind möglich, Kinder unter 14 nicht mitgezählt. Zudem müssen alle Gäste einen tagesaktuellen negativen Test vorweisen und die Wirte müssen Gästelisten führen – entweder mit Apps wie Luca oder handgeschrieben wie voriges Jahr. Welche Art der Kontaktverfolgung sie wählen, stehe den Gastwirten frei, erklärte die Wirtschaftsverwaltung auf taz-Anfrage.

Eine Neuerung im Vergleich zum vorigen Jahr ist, dass die Lockerung dieses Mal auch fürs Bars und Kneipen gilt – nach dem ersten Lockdown hatten sie nicht wieder öffnen dürfen. Dieses Mal dürfen laut Wirtschaftsverwaltung alle Gaststätten, Cafés etc. öffnen, die eine genehmigte Außengastronomie haben.

Der Verein „Bars of Berlin“, hinter dem nach eigenen Angaben rund 100 Bars und Kneipen stehen, forderte am Montag, auf den Nachweis von Impfschutz oder negativem Test zu verzichten. Der Aufwand sei für viele Betriebe nicht zu leisten, so der Vorsitzende Albrecht Döring. „Die Gästeregistrierung per App muss genügen.“ Susanne Memarnia

Projektor an!

Die Wettervorhersage ließe sich noch toppen: Keine 20 Grad, kaum Sonnenschein, dazu immer wieder Regen, so sagen es verschiedenste Apps für Donnerstag und Freitag voraus. Trotzdem dürfte der Betreiber des Freiluftkinos Kreuzberg keine Probleme haben, am Donnerstagabend ein „ausverkauft“ zu melden, wenn das Programm mit gut drei Wochen Coronaverzögerung endlich startet. Denn jenseits von der Sehnsucht vieler Ber­li­ne­r*in­nen nach Filmen auf der großen Leinwand gilt ja auch noch die strikte Vorgabe des Senats, was die Zuschaueranzahl von Kulturangeboten Open Air angeht: Mehr als 250 Menschen dürfen gar nicht rein.

Das sind immerhin 25 Prozent mehr Personen als vor einem Jahr bei der Saisoneröffnung der Freiluftkinos. Und wer sich an jene ersten Nächte unter Coronabedingungen noch erinnert, weiß auch: kuschelig ist was anderes, der Abstand zwischen den Be­su­che­r*in­nen gewaltig. Einen Vorteil hat diese Distanz aber: „Für den Besuch ist kein aktueller Coronatest nötig, weil die Abstände eingehalten werden können“, sagte Arne Höhne vom Betreiber Piffl-Medien am Montag der taz. Zudem werden – wie im vergangenen Jahr – feste Sitzplätze vergeben. Das gilt auch für die Freiluftkinos in den Volksparks Friedrichshain und Rehberge, die am Freitag Eröffnung feiern.

Die Kinos sind erneut die kulturelle Vorhut für die anderen Kulturinstitutionen, die nach der Entscheidung des Senats vom vergangenen Freitag ebenfalls wieder Open Air spielen können, also „Theater, Opernhäuser, Konzerthäuser und kulturelle Veranstaltungsstätten in öffentlicher und privater Trägerschaft“, wie es ganz offiziell heißt. Für Kultur drinnen sieht es dagegen noch düster aus. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat immerhin angekündigt, das Pilotprojekt Testing fortzusetzen, bei dem Be­su­che­r*in­nen ausgewählte Häuser nach vorherigem tagesaktuellem Test besuchen dürfen. Bert Schulz