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Sex, Crime und Recht

Der Jurist und Kolumnist Thomas Fischer lädt zu einer kleinen Reise durch das Sexualstrafrecht ein

Schon in der achten Zeile des Vorworts lässt Thomas Fischer „aus dem Luftballon von ‚Sex and Crime‘ die Luft ein wenig heraus“: Der Titel sei selbstverständlich Ironie. Ein Groschenroman von dem bekannten Juristen und Kolumnisten hätte wohl auch kaum einer erwartet. Sein Buch will sich gerade nicht um „Abseitigkeit“ oder Grusel, „auch nicht um die Reize der Erotik und der Geschlechtlichkeit als solche“ drehen. Stattdessen soll den Lesern eine kleine Reise durch das Strafgesetzbuch „zugemutet werden“. Eine trockene juristische Abhandlung erwartet einen trotzdem nicht. Fischer geht zwar strukturierter ans Werk, als man es teils von seinen Kolumnen kennt. Politisch streitbar zeigt der Autor sich jedoch auch hier.

Zunächst fängt er aber beim Grundsätzlichen an. Obwohl die meisten Menschen intuitiv meinen, genau zu wissen, was mit „Sexualität“ und „Verbrechen“ gemeint ist, sind es keine ohne Weiteres verständlichen Begriffe. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof analysiert im zweiten Teil des Buches dann auch konkrete Fälle, erklärt daran verständlich, wie Vergewaltigung, Missbrauch und Zwang juristisch gefasst werden, wie abstrakte Definitionen und reales Leben zueinander stehen.

Fischer geht es auch um die teils erregt geführten gesellschaftlichen Debatten rund um das Sexualstrafrecht. Wer bei diesen Themen mitreden wolle, müsse sich ein wenig anstrengen, so der Jurist: Denn das Sexualstrafrecht werde „nicht jeden Tag neu erfunden“ und lebe „nicht von spontanen Überzeugungen oder Intuitionen“.

Rechtsprechung spiegelt gesellschaftliche Veränderungen wider. Die strafrechtliche Definition etwa von Missbrauch ist auch ein Spiegel politischer Machtverhältnisse. So wurde der Begriff „Sittlichkeit“ erst in den 1970ern aus dem deutschen Strafrecht gestrichen. Seitdem rückte die sexuelle Selbstbestimmung in den Fokus. Die Debatten darüber ziehen immer weitere Kreise. Dies habe, so konstatiert der Autor, bereits zu einer erheblichen Ausweitung des mit Strafe bedrohten Verhaltens „in einen Bereich geführt, der früher eher informellen Regeln und Sanktionen zugeordnet war“.

Fischer sagt, dass es falsch wäre, das gewachsene Straf- und Verfolgungsbedürfnis „pauschal als irrational“ anzusehen. „Trotzdem muss erörtert werden, welche gesellschaftlichen Kosten diese Entwicklung mit sich bringt.“ Lars Klaaßen

Thomas Fischer: Sex and Crime. Über Intimität, Moral und Strafe, 384 Seiten, 2021