Trotz Protesten ausgewiesen

ABSCHIEBUNG Die fünfköpfige Roma-Familie Racipociv hat Deutschland verlassen. Die Linke bezeichnet die Entscheidung des Senats als „Frechheit“

■ Eine Abschiebung in das Kosovo droht bundesweit rund 10.000 Roma, die zu den 14.000 in Deutschland geduldeten Kosovaren gehören. Ein Asylantrag von ihnen wird grundsätzlich abgelehnt.

■ Sich für ein dauerhaftes Bleiberecht für Roma auf Bundesebene einzusetzen, lehnte im Juni vergangenen Jahres die SPD-Mehrheit im Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft ab.

■ Rund 700 bis 1.000 Roma leben in Hamburg, ein Großteil von ihnen in der Flüchtlingsunterkunft Billstedt – wie die Familie Racipovic.

Die Roma-Familie Racipovic hat am Mittwoch „freiwillig“ Deutschland verlassen, weil der Hamburger Senat trotz Kritik entschieden hat, sie nach Serbien abzuschieben. Petitionen, Proteste und Medienberichte: Alldas war umsonst.

Die Härtefallkommission hatte einen Asylantrag abgelehnt, obwohl die Familie Racipovic als Musterbeispiel für Integration gilt: Sie haben in kurzer Zeit das Deutsche Sprachdiplom gemacht, Tochter Selenora Racipovic (16) erhielt einen Bildungspreis des Senats, ihr Bruder Usko (15) hätte im Herbst ein Stipendium an einer Musikhochschule erhalten, seine Schwester Bonita (19) eine Ausbildung zur Friseurin beginnen können.

Die Frage bleibt, warum der Senat trotz Protesten nicht von seiner Entscheidung abgewichen ist. Die Beantwortung ist schwierig, da die Mitglieder der Härtefallkommission, die die Abschiebung hätten verhindern können, einer Schweigepflicht unterliegen. „Sie sind per Gesetz zur Geheimhaltung und Achtung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verpflichtet“, sagt der Sprecher der SPD-Fraktion, Claas Ricke. Es gebe aber keinen Grund daran zu zweifeln, „dass eine solche Entscheidung niemals leichtfertig getroffen wird“.

Dennoch sei es eine „Frechheit, dass die Familie ausgewiesen wurde“, sagt die Bürgerschaftsabgeordnete der Linksfraktion, Kersten Artus. Sie ist Mitglied der Härtefallkommission und hat gegen die Abschiebung gestimmt. Die Kommission muss jedoch einstimmig entscheiden. Die Voraussetzung dabei ist, dass persönliche oder humanitäre Gründe ein Aufenthaltsrecht rechtfertigen. Wenn die fünf Mitglieder sich uneins sind, kann es nicht genehmigt werden – wie bei der Familie Racipovic.

Das Kernproblem dieser Abschiebung sei jedoch das „menschenfeindliche“ Ausländerrecht in Deutschland, sagt Artus. Danach ist es so, dass Kinder ihren Eltern folgen müssen, wenn sie abgeschoben werden. Das Gesetz verhindert also, dass wenigstens die Kinder der Familie Racipovic in Hamburg bleiben können.

Ferner kritisieren Bürger sowie Politiker, dass der Familie in Serbien ein Leben in Armut bevorstehe. Zudem droht Roma bei der Rückkehr in den Balkan-Staat eine strafrechtliche Verfolgung, wenn sie im Ausland Asyl beantragt haben.

Laut Artus hat das Trauma für die Familie Racipovic gerade erst begonnen. „Denn sie werden auch in Serbien nicht willkommen sein.“ AMA