Stecker wieder drin

Werder Bremen scheidet mit 1:2 nach großem Kampf im Halbfinale des DFB-Pokals gegen RB Leipzig aus und schöpft Hoffnung für den Abstiegskampf in der Bundesliga. Trainer Kohfeldt darf erst mal bleiben

Von Ralf Lorenzen

Nur mal angenommen, jemand wäre einfach nur Fußballfan und nicht an Gerüchteküchen und Machtkämpfen interessiert. Der/die hätte am Freitagabend im DFB-Pokalhalbfinale einfach nur 120 packende, temporeiche Minuten gesehen, technische Klasse auf der einen und unbändigen Kampfgeist auf der anderen, mit einer vermeintlichen Vorentscheidung in der Verlängerung, einem Wiederauferstehungsmoment und dem Siegtor in der Nachspielzeit. Mit jubelnden Favoriten und traurigen Helden.

Von diesem Genuss wurden die Zuschauer*innen, die sich weniger vor Gerüchteküchen und Machtkämpfen schützen können, durch ein parallel laufendes Spiel abgelenkt: dem um die Zukunft von Florian Kohfeldt.

Der öffentliche Druck auf den Werder-Trainer war nach sieben Niederlagen in Folge und dem Abrutschen in Abstiegsgefahr stark angewachsen. Obwohl er die Mannschaft in der letzten Saison aus einer noch bedrohlicheren Lage herausgeführt hat, sank nach der 1:3-Niederlage bei Union Berlin das Vertrauen in Kohfeldt, die Abwärtsspirale stoppen zu können. Nach zweitägiger Debatte der Führungsgremien, die von einer Oppositionsgruppe um den TV-Journalisten Jörg Wontorra öffentlich attackiert wird, durfte Kohfeldt zwar weitermachen – vorerst aber nur bis zum Pokalspiel, bei dem man eine „deutliche Reaktion“ von Trainer und Mannschaft sehen wollte.

Die gab es in eindrucksvoller Weise vor allem deshalb, weil der Trainer die richtigen Schlüsse aus der Niederlagenserie zog. „Ich werde die Mannschaft nicht verkopfen und 1.000 Pläne machen“ sagte er vor dem Spiel. „Wir wollen vor allem Energie auf den Platz bringen.“ Mit Davie Selke und Jean-Manuel Mbom stellte Kohfeldt zwei Spieler überraschend in die Startelf, die vor allem durch körperliche Präsenz und mentale Stärke überzeugen. Dazu passend wählte er eine Taktik, in der es weniger um ausgereiftes Pass- und Positionsspiel, sondern um Wille und Durchsetzung ging. Fast jeder Ball wurde von hinten lang nach vorn geschlagen, wo Selke und Niklas Füllkrug sich einen Luftkampf nach dem anderen lieferten, während Mbom, Josh Sargent und Maximilian Eggestein um die zurückkommenden zweiten Bälle fighteten. So kamen die Bremer nicht nur wesentlich öfter vor das gegnerische Tor als zuletzt, sondern gewannen auch die Sicherheit im Passspiel zurück.

Entscheidung in Minuten

Das war letztlich zu wenig, weil die Leipziger ihre überlegene individuelle Klasse zielgerichtet und punktgenau auf den Platz brachten. Unter der Führung des zu Bayern München wechselnden Julian Nagelsmann hatte der Tabellenzweite den einen perfekt zu Ende gespielten Angriff mehr im Köcher.

Diesmal fiel die Entscheidung der Werder-Bosse, weiter an ihrem Trainer festzuhalten, binnen weniger Minuten. „Ich bin froh darüber, weil ich überzeugt bin, dass wir zusammen die Klasse halten können“, sagte Kohfeldt, der in dem Spiel auch einen klaren Vertrauensbeweis der Mannschaft sehen konnte. Die ist jetzt zwar im „absoluten Kampfmodus“, wie Sportchef Frank Baumann sagt, aber in den letzten drei Ligaspielen gegen Bayer Leverkusen, den FC Augsburg und Borussia Mönchengladbach ist der Druck noch höher. Da geht es nicht nur um die Zukunft des Trainers, sondern des ganzen Vereins.

In der Vergangenheit war dessen größte Stärke der Zusammenhalt. Diesmal besteht die Gefahr, dass Gerüchteküchen und Machtkämpfe weiter für den doppelten Thrill sorgen.