Kitas in der Pandemie: „Ein großes Risiko bleibt“

Bundesweit sind Kitas derzeit meist im eingeschränkten Regelbetrieb oder Notbetrieb. Wie geht es Er­zie­he­r*in­nen und Eltern damit? Zwei Protokolle.

Jacken und Taschen hängen im Eingangsbereich in einem Kindergarten

Hier dürfen sie kommen: Jacken und Taschen hängen im Eingangsbereich eines Kindergartens Foto: Monika Skolimowska/dpa

Kitaleiter: „Unsicherheit im Team“

In Schleswig-Holstein sind die Inzidenzwerte vergleichsweise niedrig, den ersten positiven Fall in der Einrichtung hatten wir im Dezember. Neulich ist ein Kind zu Hause erkrankt, daraufhin kam die ganze betroffene Kohorte vorsorglich in Quarantäne. Zum Glück hatten wir darüber hinaus bisher keine weiteren Fälle.

Bis Ostern wurde das Team zweimal wöchentlich getestet. Vom Land gab es dazu einen Vordruck mit Ratschlägen, aber die Umsetzung lag in der Hand der Kitas oder der Träger. Wir haben mit einem örtlichen Testanbieter zusammengearbeitet, das lief gut. Inzwischen haben wir Selbsttests erhalten. Es ist auch geplant, dass wir Tests für die Kinder an die Eltern verteilen. Das fühlt sich ein bisschen unsicherer an, schließlich sind wir alle keine Test-Profis. Ich selbst als Leiter sitze überwiegend im Büro, aber ich nehme die Unsicherheit in meinem Team wahr.

Uns alle belastet, dass sich die Regeln ständig ändern: öffnen – schließen – öffnen. Richtig geschlossen hatten wir natürlich nie, weil auch während der Lockdown-Phasen die Notbetreuung lief. Dorthin kamen etwa 20 Prozent der Kinder, aber von der Organisation macht es mindestens so viel Arbeit wie der Normalbetrieb. Aber man tut, was man kann, und die Eltern machen gut mit. Offenbar hilft in dieser Lage die norddeutsche Mentalität, nach dem Motto: Nützt ja nichts, muss ja.

Trotzdem belastet das Virus uns alle. Kinder tragen nun mal keine Masken und halten keinen Abstand, und das sollen sie auch nicht. Auch wenn sie die Infektion vielleicht weniger stark weitergeben als Erwachsene, bleibt ein großes Risiko. Wenn die Zahlen steigen, steigt die Gefahr in der Kita. Wir merken, wie das Virus näher rückt.

Inzwischen sind bereits einige im Team geimpft. Das ist toll, aber man darf nicht vergessen: Die Personalausstattung einer Kita ist immer auf Kante genäht. Fast jedes Teammitglied fiel nach der Impfung ein bis zwei Tage aus, da muss man rotieren, damit es mit den Vertretungen klappt.

Auch ich selbst habe die erste Impfung bekommen und sie einige Tage gemerkt. Das hat mich zwar gefreut, es zeigt ja, dass das Immunsystem ordentlich arbeitet. Leider wurde aber genau an dem Tag der positive Test bei einem unserer Kinder gemeldet. Zwar hat meine Stellvertreterin die Hauptarbeit geleistet und alles organisiert, aber so richtig erholen konnte ich mich dadurch natürlich nicht – nicht perfekt, aber muss ja.

Stefan Kähler, 43, leitet die Kita Stadtpark im schleswig-holsteinischen Rendsburg. Das Protokoll notierte Esther Geißlinger.

Mutter: „Kita hat sich nahezu zerlegt“

Mein Kind besucht eine kleine Eltern-Initiativ-Kita. Das heißt, das Kind hat sie bis zum Corona-Ausbruch besucht, dann noch einmal während der Lockerungen, dann wieder nicht. Es ist mühselig mit einem Kitakind zu Hause, wenn beide Eltern berufstätig sind. Aber wir sind vierfach begünstigt: Ich kann von zu Hause arbeiten, mein Arbeitgeber ist großzügig, wir haben zum Auslauf eine Datsche auf dem Land und oft ist auch das ältere Geschwisterkind zu Hause. Dann beschäftigen sich die beiden zusammen.

Bislang sind wir also nicht auf die Betreuung angewiesen, die mal Notbetreuung, mal eingeschränkte Regelbetreuung heißt. Man ist theoretisch dazu aufgefordert, sie nicht zu nutzen. Ich schaue also fast unbeteiligt darauf, wie die Frage, wer sein Kind wann zur Betreuung schickt, unsere Kita nahezu zerlegt hat. Aber um ehrlich zu sein, bin ich nicht ganz so unbeteiligt, weil dieser Streit zeigt, wie Solidarität funktioniert und wie nicht. Und dass Minderheiten Mehrheiten torpedieren können.

Es gab eine Gruppe von Eltern – eine Minderheit –, die ihre Kinder durchgängig in die Kita brachten. Und eine Gruppe, die sie zu Hause behielten. Vor allem nach dem Appell einer Erzieherin: Sie hatte zu Zeiten, als zwei Drittel der Kinder in die Kita kamen, in einem Brief erklärt, dass sie bei so vielen Kindern Angst um ihre Gesundheit habe. Danach leerte sich die Kita schlagartig. Das war gut zu sehen, aber zugleich fragte man sich: Warum braucht es erst einen flammenden Appell?

Offener Streit brach aus, als es zwei Gruppen geben sollte und deshalb keine durchgängige Betreuung mehr für alle. Da stellten sich die, die durchgängig dagewesen waren, quer. Und die anderen waren sprachlos – und sauer. Weil die Quersteller anscheinend nie auf den Gedanken gekommen waren, dass die zu Hause Betreuenden dies auch aus Solidarität taten: weil Pandemiebekämpfung nun mal möglichst wenig Kontakte bedeutet. Einige Familien waren darunter ganz schön in die Knie gegangen und manchmal traf man weinende Mütter. Aber sie haben es probiert. Die Quersteller sahen vor allem eines: ihr Recht auf Betreuung. Das wollten sie sich nicht nehmen lassen.

Der Streit wurde nicht gelöst, weil der nächste Lockdown kam. Geblieben ist die ernüchternde Erkenntnis, dass es überall Ignoranten gibt und sie die Großzügigkeit demokratischer Strukturen ausnutzen. Neu ist das nicht, aber in Pandemiezeiten fällt es anders auf.

Über ihre Erfahrungen schrieb eine taz-Autorin. Die Kita, die ihr Kind besucht, soll anonym bleiben.

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