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Trauerfeier auch für Menschen mit wenig Geld

Die Hannoversche Straßenzeitung „Asphalt“ ermöglicht ihren obdachlosen VerkäuferInnen die Bestattung in einem Ruheforst. Das Interesse ist groß

Oft ein kurzes Leben: Obdachloser vor einem Geschäft Foto: Oliver Berg/dpa

Von Joachim Göres

Mehr als 350 Menschen werden in Hannover jedes Jahr vom Ordnungsamt bestattet. Die Stadt übernimmt die Kosten, weil die Verstorbenen weder finanzielle Rücklagen noch „bestattungspflichtige Angehörige“ hatten, wie es im Amtsdeutsch heißt. Um Geld zu sparen, werden sie anonym und ohne Trauergäste unter die Erde gebracht.

So wäre es normalerweise auch Hasso Diedrich ergangen, der im vergangenen Jahr mit 54 Jahren an Herzversagen gestorben ist. „Den Gedanken, dass er anonym verscharrt werden sollte, wie bei mittellosen Menschen üblich, konnten wir nicht ertragen“, sagt Georg Rinke. Er ist Geschäftsführer der Straßenzeitung Asphalt aus Hannover, die Diedrich jahrelang verkauft hatte. Frauen und Männer mit wenig Geld verkaufen das monatlich erscheinende Magazin auf Straßen und Plätzen in 14 niedersächsischen Städten, viele waren oder sind wohnungslos.

„Zahlreiche Verkäuferinnen und Verkäufer machen sich Sorgen, was im Falle ihres Todes passiert, weil sie alleine sind. Diese Sorgen wollen wir ihnen nehmen“, sagt Rinke und fügt hinzu: „Wir haben im Ruheforst Deister Gräber gekauft und bieten allen etwa 200 Asphalt-Verkäuferinnen und Verkäufern dort eine kostenlose Beisetzung an.“

Hasso Diedrich ist der erste Asphalt-Verkäufer, der dort seine letzte Ruhestätte gefunden hat – in einem Urnengrab an einer alten Buche, an der eine kleine Metallplatte mit seinem Namen und seinem Geburts- und Sterbedatum angebracht wurde. 20 Freunde nahmen bei der Trauerfeier im Wald Abschied von Diedrich. „Von ihnen haben wir nur positive Reaktionen bekommen. Sie lobten die würdevolle Feier“, sagt Rinke.

15 Asphalt-Verkäuferinnen und Verkäufer haben inzwischen schriftlich festgelegt, dass sie ebenfalls dort bestattet werden möchten. Ein Dutzend Gräber rund um diesen Baum auf einer Fläche von 100 Quadratmetern hat Asphalt bisher für eine mittlere vierstellige Summe gekauft, finanziert aus Spenden. Die Straßenzeitung übernimmt auch die Kosten für eine Urnenbeisetzung, die rund 600 Euro kostet. Eine Erdbestattung ist im Ruheforst nicht möglich. „Die Kosten dafür könnten wir auch nicht übernehmen, denn da geht es um 3.000 Euro und mehr“, sagt Rinke.

„Asphalt“ hat im Ruheforst Deister Gräber für Obdachlose gekauft

Der Ruheforst Deister liegt am Fuß des Calenbergs in Bredenbeck, einem Ortsteil von Wennigsen, zwölf Kilometer südwestlich von Hannover. Er besteht aus bis zu 190 Jahre alten Eichen- und Buchenwäldern. „Wir bezeichnen die letzte Ruhestätte nicht als Grab, sondern als Ruhe-Biotop. Ruhe-Biotope benötigen keine Pflege, weil sie Teil des natürlichen Waldes sind“, betont die Ruheforst GmbH.

Asphalt wird von der ehemaligen evangelischen Bischöfin Margot Käßmann, dem evangelischen Stadtsuperintendenten Rainer Müller-Brandes und dem Kabarettisten Matthias Brodowy herausgegeben, GesellschafterInnen sind das Diakonische Werk Hannover und die Hannoversche Initiative obdachloser Bürger. „Wir wurden vereinzelt gefragt, warum wir die Verstorbenen nicht auf einem evangelischen Friedhof beerdigen. Nicht jeder von ihnen ist gläubig“, lautet Rinkes Antwort.

Der frühe Tod Hasso Diedrichs mit 54 Jahren ist übrigens kein Einzelfall. Wer auf der Straße lebt oder von Wohnungslosigkeit bedroht ist, stirbt eher als viele andere. Asphalt hat in einer Traueranzeige an die 56 Frauen und Männer erinnert, die in Hannover von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe betreut wurden und im vergangenen Jahr gestorben sind. Sie wurden 42, 39, 49, 63, 62, 48, 54, 57, 49, 70, 42, 54, 60, 56, 51, 49, 62, 55, 63, 61, 53, 63, 42, 45, 48, 75, 50, 68, 56, 56, 54, 57, 59, 55, 57 und 35 Jahre alt. Bei vielen war das Alter nicht bekannt.