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„Erbengemeinschaft kann schwierig sein“

Beim Vererben gibt es viele Fallstricke – etwa die nicht automatisch erbberechtigten EhegattInnen und LebenspartnerInnen

Wenig rechtssicher: handschriftliches Testament Foto: Hans Wiedl/dpa

Interview Petra Schellen

taz: Frau Backhaus, welche Dokumente müssen sich Nahestehende eines Verstorbenen beschaffen?

Beate Backhaus: Jeder, der ein Testament vorfindet, muss es – so verschlossen, wie es war – beim Nachlassgericht abliefern. Dort wird das Testament eröffnet und an die Betroffenen verschickt: an die gesetzlichen Erben, die vielleicht enterbt worden sind, sowie an die testamentarisch Bedachten. Beim Notar beurkundete Testamente gehen automatisch ans Nachlassgericht, eine Unterabteilung des Amtsgerichts. Dann müssen sowohl die Erben als auch die eventuell Ausgeschlossenen überlegen, ob sie das Testament akzeptieren.

Wann sollte man ein Erbe ausschlagen?

Wenn der Nachlass überschuldet ist, kann es sinnvoll sein, eher auf das Erbe zu verzichten als Nachlassinsolvenz zu beantragen. Denn es steht immer die Frage im Raum, ob man mit seinem eigenen Vermögen haftet. Um das zu prüfen und über die Ausschlagung zu entscheiden, hat man sechs Wochen Zeit.

Wenn man nicht ausschlägt: Welches ist der nächste Schritt?

Sie müssen mit dem eröffneten Testament und dem Eröffnungsprotokoll ihre Rechte gegenüber Banken, Versicherungen und anderen Institutionen geltend machen. Falls Zweifel bestehen, etwa bei Grundbuchämtern, und ein Grundstück umgetragen werden soll, muss man beim Nachlassgericht oder beim Notar einen Erbschein beantragen. Bis man ihn hat, kann es einige Wochen dauern. Allerdings hat die BGH-Rechtsprechung das in puncto Grundstücksangelegenheiten in den letzten Jahren gelockert, und oft genügt inzwischen das eröffnete notarielle Testament zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll.

Gehen die Ausgeschlossenen in jedem Fall leer aus?

Nein. Wenn man ein Testament macht, muss man berücksichtigen, dass Kinder, Ehegatte und Eltern einen Pflichtteilsanspruch haben. Das ist ein Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wenn man die Pflichtteilsberechtigten nicht bedenkt, haben sie einen Zahlungsanspruch gegen die tatsächlich eingesetzten Erben. Das heißt, man muss als Erblasser kalkulieren: Wie muss ich meinen Nachlass auf meine Erben verteilen, damit sie die Pflichtteilsansprüche erfüllen können? Oder muss ich im Vorhinein einen Pflichtteilsverzicht aushandeln? Wer ein Testament machen will, muss viel bedenken. Wenn es kompliziert wird, sollte man Rechtsrat in Anspruch nehmen – bei einem Anwalt oder einem Notar zum Beispiel, der das Testament auch gleich beurkundet.

Muss ein Testament beurkundet sein?

Nein. Man kann auch ein handschriftliches Testament verfassen, aber da sind viele Vorschriften zu beachten, damit das Testament auch wirksam ist. Die Beurkundung ist rechtssicherer, denn beim Notar wird alles genau geprüft, und Sie sollten die Sicherheit haben, dass alles juristisch einwandfrei ist. Der Notar unterhält sich mit Ihnen, kommt zum Ergebnis, dass Sie geschäftsfähig sind – wobei das natürlich nicht den Wert eines ärztlichen Gutachtens hat, aber es ist ein wichtiger Hinweis.

Wie unterscheidet sich das Testament vom Erbvertrag?

Das Testament ist der letzte Wille einer Person. Aber während der Erblasser sein Testament jederzeit ändern kann, geht das bei einem Erbvertrag nicht. Für manche ist der Erbvertrag allerdings die einzige Form, das Erbe verbindlich zu regeln – für nicht eheliche Lebensgemeinschaften und Stiefkinder etwa. Auch Letztere sind nicht gesetzlich erbberechtigt. Wohl aber adoptierte Kinder. Für Ehegatten gibt es noch die besondere Form des gemeinschaftlichen Testaments, das eine gewisse Bindungswirkung wie ein Erbvertrag hat, aber zu Lebzeiten beider Ehegatten leichter geändert werden kann.

Wie sinnvoll ist eine Erbengemeinschaft?

Natürlich können Sie Ihren Nachlass auf mehrere Personen verteilen, die nach Bruchteilen erben: die Hälfte, ein Viertel – wie auch immer. Alle, die als Erben eingesetzt sind, bilden eine Zwangsgemeinschaft, die Erbengemeinschaft. Und die müssen sich in allen wesentlichen Fragen immer einig sein. Damit ist Streit vorprogrammiert. Man ist also gut beraten, zumindest größere Erbengemeinschaften zu verhindern, und lieber einzelnen Personen ein Vermächtnis aussetzen.

Können auch Tiere erben?

Nein, da muss man Umwege wählen. Wenn man seinen Hund verpflegt haben möchte, muss man jemandem diese Auflage machen und im Wege des Vermächtnisses das Geld dafür zur Verfügung stellen.

Was passiert, wenn jemand kein Testament hinterlässt?

Das passiert erstaunlich oft. Aber es ist nie zu früh, ein Testament zu machen, und man stirbt davon nicht! Es macht natürlich Mühe. Man muss entscheiden, wer zum Beispiel ein kleines Unternehmen weiterführen soll. Aber wenn ich kein Testament mache, gilt die gesetzliche Erbfolge. Wenn mir die gefällt, brauche ich nichts zu tun. Wenn ich aber irgendetwas anders regeln will, muss ich aktiv werden.

Wie lautet die gesetzliche Erbfolge?

Die gesetzlichen Erben erster Ordnung sind die Kinder. Gibt es keine, folgen die gesetzlichen Erben zweiter Ordnung: die Eltern des Erblassers. Wenn sie nicht mehr leben, werden sie vertreten durch Tanten und Onkel, Geschwister, Nichten und Neffen des Erblassers. Der Ehegatte ist ausgeschlossen, weil Eheleute nicht verwandt sind und somit in keine Ordnung fallen.

Ehegatten sind da völlig rechtlos?

Nein, denn es gibt ein gut ausgestaltetes Ehegattenerbrecht, das sich nach dem Güterstand richtet. Beim Normalstand einer „Zugewinngemeinschaft“ erben Ehegatten die Hälfte neben den Erben erster Ordnung.

Wer erbt, wenn kinderlose Ehepaare kein Testament hinterlassen?

Dann sieht sich der überlebende Ehepartner in einer Erbengemeinschaft mit seinen Schwiegereltern, Schwager, Schwägerin, Nichten, Neffen. Er gibt also ein Viertel ab. Das ist für viele kinderlose Ehepaare eine Überraschung. Sie gehen davon aus, dass der Partner automatisch Alleinerbe ist. Aber das stimmt nicht. Das muss man im Testament ausdrücklich regeln.

Wann ist ein Erbe sinnvoll, wann Schenkung oder Stiftung?

Beim Erbe gibt man sein Vermögen ja erst nach dem Tod weg, wenn man es nicht mehr braucht. Was man zu Lebzeiten verschenkt, steht dagegen sofort nicht mehr zur Verfügung. Das heißt: Schenken muss man sich leisten können. Andererseits gibt es gute Gründe, seine Kinder zu unterstützen – bei Existenzgründung, dem Kauf eines Eigenheims. Außerdem ist es eventuell steuerlich interessant.

Foto: privat

Beate Backhaus

Jg. 1949, Juristin und Autorin, war von 1976 bis 2020 als Rechtsanwältin tätig.

Inwiefern?

Es gibt bei der Erbschaftssteuer Freibeträge, die man alle zehn Jahre neu ausnutzen kann. Der Freibetrag pro Kind liegt bei 400.000 Euro. Man kann also eine Menge Vermögen steuerfrei auf seine Kinder übertragen, wenn man alle zehn Jahre schenkt.

Oder aber man stiftet sein Erbe.

Ja. Mit der Einrichtung einer Stiftung entsteht eine neue juristische Person, die unabhängig ist. Das ist eine beliebte Rechtsform, um größere Vermögen zu übertragen und einen satzungsgemäßen Zweck zu fördern. Das erfordert aber ein gewisses Kapital, da die Stiftung grundsätzlich nur die Zinserträge verbrauchen kann. Angesichts der Zinsentwicklung der letzten Jahre ist eine Stiftung mit einem Kapital von 100.000 Euro also nicht besonders leistungsfähig. Man kann sich natürlich auch durch eine Zustiftung an anderen Stiftungen beteiligen – etwa an Bürgerstiftungen. Das erfordert dann nicht so viel Kapital.

Und wie sollte man sein Digital-Erbe regeln?

Auch hier tritt der Erbe in die Fußstapfen des Erblassers und muss dessen Rechtsbeziehung rund um das Internet – den digitalen Nachlass – regeln. Das kann Online-Shopping sein, Bankgeschäfte, digitale Abos, Streamingdienste, soziale Netzwerke, Websites. Das alles muss ordnungsgemäß beendet werden. Dafür braucht der Erbe die Passwörter. Also muss der Erblasser sich überlegen, wo er sie hinterlegt – zumal man Passworte ja von Zeit zu Zeit ändert. Im Testament kann man sie nicht hinterlegen, denn bis es eröffnet wird, kann Zeit vergehen. Eine Möglichkeit wäre, sie – in welcher Form auch immer – im Banksafe zu verwahren.

Viele Menschen verbringen den Lebensabend in Südeuropa. Wie können sie ihr Erbe regeln?

Wer dauerhaft im Ausland lebt, muss beachten, dass in Europa seit 2015 der „ständige Aufenthalt“ das Erbrecht bestimmt. Für Deutsche, die dauerhaft etwa auf Sizilien oder Mallorca leben, gilt italienisches bzw. spanisches plus spanisches Regionalrecht. Und zwar für den gesamten Nachlass inklusive des in Deutschland oder anderswo gelegenen. Das ist wichtig zu wissen. Denn bis dato konnten sich Deutsche darauf verlassen, dass die deutsche Staatsbürgerschaft auch für das Erbrecht maßgeblich war. Das hat man 2015 im Zuge der Europäischen Erbrechtsverordnung vereinheitlicht.

Ist das unabänderlich?

Nein. Man kann das Recht seiner Staatsbürgerschaft wählen. Der Deutsche in Spanien kann sagen: Ich will deutsches Recht haben. Das muss er aber in einem Testament anordnen, also eine Rechtswahl – deutsches Recht – treffen. Jeder, der dauerhaft im Ausland lebt oder Vermögen im Ausland hat, sollte sich intensiv beraten lassen.