Alle Polizeikräfte in die Heia

Eine Ausstellung in der alten Feuerwache dokumentiert die HausbesetzerInnenszene Ostberlins in den neunziger Jahren

Von Peter Nowak

Das Plakat wirbt für ein Straßenfest gegen Verdrängung am 30. November 1991 in der Mainzer Straße. Doch dieses Fest hat es nie gegeben. Die Ankündigung sollte ein Jahr nach der mit großer Polizeigewalt durchgesetzten Räumung von 12 Häusern in der Mainzer Straße die Polizei in Bewegung halten. Jetzt gehört das im Punkstil gestaltete Poster zu den kleinen Dingen der BesetzerInnenbewegung, die in der Ausstellung „Häuser besetzen sowieso!“ in der Alten Feuerwache in Friedrichshain präsentiert wird.

Die Exposition ist sehenswert, weil sie weitgehend auf die zu Mythen geronnenen Symbole der Bewegung verzichtet und einen sehr persönlichen Blick auf die meist jungen SquatterInnen liefert. Das ist nur möglich, weil die InitiatorInnen seit Jahren Teil der Bewegung sind. Dazu gehören der Historiker Dirk Moldt und der Musiker mit dem Künstlernamen Paul Geigerzähler. Beide leben bis heute in Hausprojekten, die vor mehr als 30 Jahren besetzt und später legalisiert wurden, ebenso wie der Fotograf Marko Krojac, der einen Großteil der ausgestellten Fotos beisteuerte. Abgelichtet hat er junge Punks auf Hausdächern bei Nachtwachen gegen Angriffe von Neonazis, aber auch eine Wohngemeinschaft beim Brotbacken.

Immer wieder zeigt Krojac auch Proteste gegen Räumungen oft mit witzigem Unterton. „Befehl von oben – alle Polizeikräfte in die Heia“ stand 1991 auf der Wand eines besetzten Hauses in der Pfarrstraße. Der Fokus der Ausstellung liegt auf den Alltagsgegenständen, die den einzelnen besetzten Häusern ihre besondere Note gaben. Die Sperre mit dem Namen Kontrollpunkt, die am Eingang einer gleichnamigen BesetzerInnenkneipe in Friedrichshain stand, fällt im Ausstellungsraum sofort ins Auge. Die etwas eingerostete Wanduhr, die von der Bäckerei des Vaters eines Ex-Besetzers in die Küche der Villa Felix in der Schreinerstraße gewandert ist, entdeckt man erst auf den zweiten Blick. Und dann steht dann noch ein Polylux, ein Overheadprojektor aus DDR-Produktion, der Anfang der 90er für einige Jahre gute Dienste bei Veranstaltungen in den zahlreichen BesetzerInnenkneipen leistete.

Zu finden sind auch auf Schreibmaschine getippte und auf Matrize abgezogene Flugblätter, mit denen HausbesetzerInnen in Prenzlauer Berg 1992 ihre NachbarInnen zu einer Versammlung gegen Verdrängung einluden. Damals war der Begriff Gentrifizierung noch unbekannt, aber die politischen Themen haben sich seit 30 Jahren wenig geändert. Daher wird in der Ausstellung die BesetzerInnenbewegung auch nicht als abgeschlossene Geschichte präsentiert.

So sind dort auch Plakate, Aufrufe und Flyer von der Mobilisierung gegen die Räumungen der letzten Monate zu sehen. Das queerfeministische Hausprojekt Liebigstraße 34 ist ebenso vertreten wie die Rigaer Straße 94, die bisher allen Räumungsversuchen widerstand. Wegen dieser Aktualität hat die Ausstellung auch nichts an Bedeutung verloren, weil sie wegen der Coronapandemie nicht wie geplant im Frühjahr 2020 eröffnet werden konnte.

„Sie sollte ein besonderer Beitrag zum 30-jährigen Jubiläum vieler besetzter Häuser in Berlin sein“, erzählt Paul Geigerzähler. Als sie schließlich Anfang Dezember eröffnete, verhinderte der zweite Lockdown den Besuch vor Ort, nur digital war sie zu sehen. Das hat sich geändert. Bis Anfang Mai ist sie unter Einhaltung geltender Hygienebedingungen zugänglich.

Bis 2. Mai, Fr. bis So. 12–18 Uhr, Anmeldung unter 030 293 47 94 26 oder digital unter: www.besetzensowieso.de