Irans Unis sollen auf Kurs gebracht werden

BILDUNGSPOLITIK Pünktlich zu Semesterbeginn setzt sich Revolutionsführer Chamenei für eine weitere „Islamisierung“ der Hochschulen ein. Unter Ahmadinedschad hat sich der Druck bereits verschärft

Professoren sollen wie Soldaten am Krieg gegen die „sanfte Revolution“ teilnehmen

BERLIN taz | Heute beginnt im Iran das neue Semester für die rund dreieinhalb Millionen Studierenden – im Prinzip. Denn bis zuletzt war es nicht sicher, ob die Universitäten tatsächlich ihre Tore öffnen. Denn auch die Verantwortlichen wissen sehr wohl, dass die Studenten in ihrer Mehrheit der Opposition angehören und viele von ihnen an der Protestbewegung der letzten Monate aktiv beteiligt waren.

Schon wenige Tage nach Beginn der Massenproteste gegen den Betrug bei der Präsidentenwahl vom 12. Juni organisierten die Ordnungskräfte und Basidsch-Milizen einen Überfall auf das Studentenheim der Universität Teheran, bei dem zahlreiche Studenten verletzt und festgenommen wurden. Nun wird befürchtet, dass mit dem neuen Semester neue Unruhen an den Universitäten ausbrechen könnten.

Aber die Probleme des islamischen Staats mit den Universitäten gehen weit über die jüngsten Unruhen hinaus. Diese machten sich bald nach der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979 bemerkbar. Revolutionsführer Ajatollah Chomeini berief einen Rat der Kulturrevolution, der Universitäten und Hochschulen „vollständig islamisieren“ sollte. Zwei Jahre lang blieben sämtliche Universitäten des Landes geschlossen. Aber die Versuche scheiterten, weil aufklärerisches Denken nicht aus der Lehre und Forschung verbannt werden konnten.

Seit der Amtsübernahme Präsident Mahmud Ahmadinedschads wurde die Idee der Islamisierung wieder aufgenommen. Hunderte fortschrittliche Professoren wurden entlassen, die Zulassung der Studenten wurde von einer ideologischen Überprüfung abhängig gemacht. Zudem wurden die Universitäten der Kontrolle der Ordnungskräfte unterstellt. Die Akte politisch engagierter Studenten wird mit ein oder zwei Sternen versehen, mit der Folge, dass sie im nachfolgenden Semester nicht mehr immatrikuliert oder mit jahrelangem Studienverbot bestraft werden. Sie werden daher als „Sternstudenten“ bezeichnet. Viele sitzen zurzeit im Gefängnis.

Eine noch gravierendere Maßnahme bestand in der Aufnahme von Basidsch-Milizionären an den Universitäten, für die eine Quote von 40 Prozent vorgesehen wurde. Ihnen fehlten die Voraussetzungen für ein Studium, was zur Folge hatte, dass seitdem das Niveau des Lehrbetriebs erheblich gesunken ist. Eine weitere Folge ist die zunehmende Militarisierung der Universitäten. Doch die aktive Teilnahme der Studenten an den jüngsten Protesten machte deutlich, dass die islamischen Strategen noch weit von ihrem Ziel entfernt sind, was dem Revolutionsführer Ali Chamenei nach eigenen Angaben „große Sorgen“ bereitet.

„Fast zwei Millionen der dreieinhalb Millionen unserer Studenten studieren im Bereich der Humanwissenschaften“, sagte Chamenei kürzlich. „Das ist besorgniserregend, denn unsere islamisch orientierten Lehrkräfte sind längst nicht so zahlreich, um den Bedarf für diese Fächer zu decken.“ Er rief die Regierung Ahmadinedschad und den Obersten Rat der Kulturrevolution dazu auf, diesem Problem mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Art, wie Humanwissenschaften heute an den Universitäten gelehrt werden, bezeichnete Chamenei als „gefährlich und verführend“. Die meisten Theorien basierten auf Materialismus und Atheismus, sie seien die Ursache für Zweifel der Jugend am Glauben. Das sei genau der Boden, auf dem „die Saat für eine sanfte Revolution Früchte“ trage. Die Universitäten, vor allem die Professoren, müssten wie Soldaten und Feldherren an dem gemeinsamen Krieg gegen die „sanfte Revolution“ teilnehmen.