berliner szenen
: Die gleichen Pfade immer wieder neu

Ich strebe nicht mehr wie früher nach neuen Wegen. Ob ich zur Arbeit oder einkaufen ging, mir war es wichtig, auf den Rückweg nicht die gleiche Strecke zu nehmen wie auf den Hinweg. Einen Umweg dafür zu machen, war es mir die Mühe wert. Das war schon als Kind so, etwa auf dem Schulweg.

Doch es kam der Tag, an dem ich feststellen musste: Irgendwann gibt es keine neuen Routen mehr. Und überraschenderweise fing ich an zu genießen, dass es so ist. Egal ob ich zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs bin, finde ich schön zu merken, wie die gleichen Pfade von einem Tag auf den anderen neu aussehen. Sei es wegen des Wetters, dem Verlauf der Jahreszeiten, weil ich dabei anders drauf bin oder weil dort etwas Neues geschieht.

So habe ich zum Beispiel die Hasenheide in allen Variationen erlebt. Bei Schnee und Glätte, als die Jog­ge­r*in­nen liefen, als würden sie komische Tanzschritte üben. Dann war der Schnee geschmolzen, und Kinder und Erwachsene spielten mit Eisstücken an den Seen, die sich in der Grube gebildet hatten. Auf dem Weg dorthin trinkt an einem Morgen eine Gruppe Frauen Kaffee vor der türkischen Bäckerei in der Karlsgartenstraße, am nächsten Morgen sind es die BSR-Menschen in ihrer Pause. Das Leihrad, das mitten auf dem Weg zum Berg ewig stand, liegt plötzlich in einer der riesigen Mülleimer des Parks. Die Joggerin, die ich tagtäglich erkannte, weil wir die gleiche rote Jacke trugen, trägt plötzlich Blau, und die Frauen mit Kopftuch, die mir mit schnellen Schritten und fliegenden Mänteln entgegenlaufen und die ich in meiner Fantasie für eine Mädchenband halte, sind bei jedem Wetter da.

Mittlerweile kann ich „High five“ mit Ästen voller Blüten machen, und deswegen weiß ich, der Frühling ist da. Wenn ich nach Hause zurückgehe, bin ich schon gespannt, was mich hier am nächsten Tag erwartet.

Luciana Ferrando