US-Medien und Donald Trump: Ohne dich ist alles anders

Seit Trump die Medienbühne verlassen hat, sinkt die Reichweite der großen Sender und Zeitungen in den USA. Gibt es einen Zusammenhang?

Donald Trump gestikuliert vor Mikrofonen

Jahrelang lief ihm alles hinterher, was ein Mikro hatte (Aufnahme vom vergangenen September) Foto: Evan Vucci/picture alliance

So zäh wie die Zeit manchen gerade vergeht, mag es erscheinen, als wäre es Ewigkeiten her, dass die Vereinigten Staaten einen Präsidenten hatten, dem die Jour­na­lis­t*in­nen des Landes für ein paar selbstgefällige Zitate auf seinem Golfplatz hinterherrannten. Ist es aber nicht. Es sind am Montag gerade mal drei Monate.

Für eine Medienbranche im Umbruch ist das eine Zigarettenpause. Trotzdem gibt es längst jede Menge Analysen, wie die Medienära nach dem Medienpräsidenten aussehen könnte. Polarisierter Meinungsjournalismus, Echokammern, rechte Fake News – für die Klickzahlen war das teilweise sehr gut, für die Qualität des Journalismus nicht unbedingt. Nun ist Trump weg. Und jetzt?

Eine viel beachtete Nachricht der letzten Tage ist das Einbrechen der Nutzungszahlen bei vielen großen US-Nachrichtenmedien. Beim Sender CNN, gegen den Donald Trump regelmäßig austeilte, gingen die Zuschauerzahlen in der Hauptsendezeit im März 2021 im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 Prozent zurück, gibt das Marktforschungsunternehmen Nielsen durch. Was Trumps Lieblingsfeindinnen in der Presse angeht: Für die New York Times verzeichnet das Forschungsunternehmen ComScore 30 Prozent weniger Onlinebesuche seit November, bei der Washington Post 27 Prozent.

Das bestätigt erst einmal alle, die überzeugt sind, dass der Journalismus von Trump profitiert habe. Darunter Trump selbst. Womit wir wieder auf dem Golfplatz wären. In Florida genauer, und zwar im Dezember 2017. Damals sagte Trump der New York Times, die ihm bei einer Partie auf den Fersen war: „Ohne mich gehen die Medien unter.“ Ein Satz, den jetzt gerade viele wieder ausgraben.

Es gibt schlechtere Werbung

Nach der Wahl Trumps zum Präsidenten im Jahr 2016 verzeichnete die New York Times massive Zugewinne bei den digitalen Abos. Und noch in den letzten Tagen von Trumps Amtszeit verzeichnete die Zeitung 800 Millionen US-Dollar jährliche Einnahmen mit digitalen Angeboten – doppelt so viele wie 2015 vor Trumps Kandidatur.

Das Ganze heißt im US-Mediensprech „Trump Bump“, also Trumps Hügelchen. Die Trump-Ära, so die These, zeichnete sich aus durch drei Dinge, die Journalismus guttun: eine permanente Nachrichten-Großlage, meist ausgelöst durch morgendliche Trump-Tweets: ein ständiges Wir-gegen-die zwischen den politischen Lagern, was eine Nachfrage nach Bestätigung der eigenen Haltung erzeugt; und schließlich waren die Medien selbst ständig im Gespräch, oft genug durch den Präsidenten selbst. Es gibt schlechtere Werbung.

Ohne Trump, so nun die Idee, fallen die Newsmedien zurück in den Abwärtstrend, dem sie vorher ausgesetzt waren. „Trump Slump“ heißt der Effekt jetzt schon. Von Trumps Hügelchen also in Trumps Senke.

Trump. Trump. Trump.

Vielleicht eine Erholungspause

Doch es gibt eine gute Handvoll weiterer Faktoren, mit denen sich der akute Rückgang beim Interesse an Nachrichten erklären ließe. Zahlen über Audience Engagement von einem Monat zum nächsten sind begrenzt aussagekräftig. November bis inklusive Januar markierte eine Zeit besonders hohen Nachrichtenkonsums. Von den zehn meistgeklickten Online-Artikeln bei CNN handeln sieben von der Wahl.

Und vom Wahltag bis zur Amtseinführung Joe Bidens am 20. Januar blieb das Land monatelang in einem Zustand der Unklarheit. Würde Trump das Weiße Haus anstandslos räumen? Würden seine An­hän­ge­r*in­nen im gewaltbereiten rechten Milieu die Niederlage hinnehmen? Trumps Äußerungen und der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar warfen diese Fragen immer wieder auf. Weniger Zugriffe auf Nachrichten im Februar und März könnten deshalb auch einfach für eine Erholungsphase stehen.

Fox News wurde zuletzt eine „Identitätskrise“ nachgesagt – scheint sich aber schon wieder gefangen zu haben.

Dasselbe könnte man für die Vergleichszahlen vor einem Jahr argumentieren. In den USA sind mittlerweile über 35 Prozent einmal gegen Sars-Cov2 geimpft, über 20 Prozent zweimal. Das Leben normalisiert sich vielerlorts, in großen Teilen der USA ist bereits warmes Wetter, nicht je­de*r ist mehr gezwungen, vor den Fernsehern zu sitzen oder im Internet zu doomscrollen. Corona bleibt natürlich ein wichtiges Thema, aber eher auf individueller Ebene. Der Sender CBS gibt an, dass seine aktuell bestgeklickten News aus dem Bereich Corona-Service kommen. Wie komme ich an eine Impfung? Wo bleibt mein Scheck von der Regierung?

Aber auch wenn die aktuellen Zahlen nicht überinterpretiert werden sollten: Dass sich Medien nach Trump umstrukturieren müssen, ist klar. Am deutlichsten kann man das am rechtskonservativen Sender Fox News erkennen. Dem wird seit dem Regierungswechsel eine „Identitätskrise“ nachgesagt. In der Wahlnacht rief Fox News als erstes Medium den Bundesstaat Arizona für Joe Biden aus, was Donald Trump verärgerte. Vielfach wurde dies als eine Loslösung vom scheidenden Präsidenten begriffen. Dazu kamen seit Januar sinkende Zuschauerzahlen und der Rauswurf des Trump-Fans Lou Dobbs, nachdem dieser mit wiederholten Falschbehauptungen über Wahlbetrug dem Sender eine Milliardenklage eingebrockt hatte.

Offene Hetze

Aber Fox News abzuschreiben wäre zu früh. Zuletzt haben sich die Zuschauerzahlen des Senders stabilisiert, er ist wieder der meistgesehene Kabelsender während die Konkurrenz von MSNBC und CNN an ihm vorbei nach unten rauscht. Beliebteste Sendung ist dabei „Tucker Carlson Tonight“. Tucker Carlson hat sich längst zum Bindeglied zwischen dem Neuen Fox News und der alten rechts-alternativen Trump-Gefolgschaft entwickelt.

Carlson hetzt offen gegen die neue Regierung und verbreitet rechtsextreme Ideologien, allerdings so formuliert, dass sie im liberalen Diskurs der Staaten anschlussfähig sind. Zuletzt verbreitetet er den neurechten Gedanken der „Umvolkung“, als er der Biden-Regierung wiederholt eine „Demografie-Politik“ zum Nachteil von „hier geborenen Amerikanern“ unterstellte. Carlson fügte dabei hinzu, dass er sich auf „hier geborene Amerikaner jeder race“ beziehe.

Für die rassistische Trump-Klientel aber, die schon auf die Idee einer „Mauer zu Mexiko“ erfreut reagierte, während niemand je Grenzsicherung gen Kanada gefordert hat, dürfte die Chiffre verständlich sein. Und rechtsgerichtete Unternehmen, die für Sendungen wie Tucker Carlson die teuren Werbespots schalten, gibt es auch genug. Das prominenteste Beispiel ist Trump-Anhänger Mike Lyndellʼs Kissenversand MyPillow.

Fox News wird also hervorragend ohne Trump klarkommen. Solange eine Handvoll Gesichter in den Morgen- und Abendsendungen verlässlich extrem rechte Positionen von sich geben oder Cancel-Culture-Debatten aufpumpen, werden sich Trumpists dort wiederfinden. Es ist schließlich der Meinungsjournalismus, der einem Medium seinen Flavor gibt.

Extreme Schwankungen

Damit wiederum werden alle anderen Medien zu kämpfen haben, die auf Reichweite angewiesen sind. CNN und MSNBC ebenso wie die New York Times und die Washington Post. Trump oder nicht, das Newsgeschäft ist extremen Schwankungen unterworfen, und nach einer langen Phase der steigenden Reichweiten gilt es nun aus Medienökonomischer Sicht, das Publikum zu halten.

Themen gibt es genug, vom unveränderten Problem der Polizeigewalt gegen Schwarze Amerikaner*innen, die andauernde Pandemie und deren Folgen und die Infrastrukturpolitik der gegenwärtigen Regierung. Diese Themen sind allerdings komplex und schmerzhaft und die Haltungen keineswegs so säuberlich in Lager aufgeteilt wie die Haltungen zum Ex-Präsidenten. Womöglich werden sich die liberalen Medien wegentwickeln vom Meinungskampf hin zu etwas scheinbar Langweiligerem: berichten, erklären, einordnen. Für den Journalismus wäre es nicht das Schlechteste.

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