Unter den Bus geworfen

Lohndumping trotz Hamburger Mindestlohns: Im Tarifkonflikt beim städtischen Reinigungsdienstleister Tereg drohen Hochbahn und Senat mit Outsourcing

Weniger als Mindestlohn fürs Busputzen: 40 Prozent der Tereg-MitarbeiterInnen verdienen unter 12 Euro Foto: Christian Charisius/dpa

Von Kai von Appen

Es klingt wie eine Kriegserklärung: Im Tarifkonflikt beim städtischen Reinigungsdienstleister Tereg drohen die Hamburger Hochbahn und der rot-grüne Senat unverhohlen damit, dem eigenen Tochterunternehmen den Auftrag zu entziehen und einem privatwirtschaftlichen Unternehmen zu übertragen, wenn die Beschäftigten und die Gewerkschaft Ver.di auf die Einhaltung des Hamburger Mindestlohns pochen. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der Linkspartei an den Senat hervor. „Das wäre ein Schritt in die weitere Privatisierung der Daseinsvorsorge“, schimpft die stellvertretende Ver.di-Landesleiterin Sieglinde Frieß. „Öffentliche Aufgaben gehören in öffentliche Hand.“

Tereg ist ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der städtischen Hamburger Hochbahn. Die 920 Tereg-MitarbeiterInnen sind für die Reinigung von Bussen, U-Bahnen und Haltestellen der Hochbahn zuständig – nachts, damit ab dem frühen Morgen die HamburgerInnen in hygienisch gereinigten öffentlichen Verkehrsmitteln fahren können. Das ist gerade während der Coronapandemie und bei hohen Infektionszahlen in Hamburg besonders wichtig.

Im Mai 2018 beschloss die Hamburgische Bürgerschaft die Wiedereinführung eines Hamburger Mindestlohns in Höhe von 12 Euro die Stunde. Die städtischen Betriebe sind seither aufgefordert, das Lohnniveau in ihren Tarifen auf diesen Standard anzuheben, öffentliche Aufträge sollen nur an Unternehmen vergeben werden, die den Mindestlohn von 12 Euro auch zahlen. Das ist bei Tereg nicht geschehen. Laut der Senatsanfrage der Linken verdienen aktuell 355 der 920 MitarbeiterInnen (39 Prozent) weniger als 12 Euro – zwei Drittel von ihnen sind Frauen.

In der aktuellen Tarifrunde bei Tereg ist es bereits Ende März zu zwei Warnstreiks gekommen, nachdem in vier Verhandlungsterminen kein annehmbares Angebot von der Geschäftsführung vorgelegt worden war. Zwar bietet Tereg nunmehr die Einführung des tariflichen Hamburger Mindestlohns in der untersten Entgeltgruppe zumindest ab dem 1. Juli 2021 an, dieser Mindestlohn von 12 Euro soll dann bis 2023 auf lediglich 12,20 Euro angehoben werden.

Laut Ver.di-Tarifkommission fehlt eine „signifikante Lohnentwicklung für die Zukunft“. Den Lohnabstand zwischen den untersten Entgeltgruppen will Tereg komplett abschaffen – für die Beschäftigten sei das „nicht nachvollziehbar und nicht hinnehmbar“, so Ver.di.

Durch die Senatsanfrage der Linkspartei sind nun Befürchtungen der Tereg-Beschäftigten bestätigt worden, die sie zuvor in einem offenen Brief geäußert hatten, wonach in Zukunft auch Jobs gefährdet sein könnten. Denn der rot-grüne Senat räumt ein, dass eine Konsequenz der Einhaltung des Landesmindestlohnes in einem seiner öffentlichen Unternehmen wegen der Vergabeverordnung sein könne, dass die Dienstleistung dann an ein anderes, nicht-öffentliches und billigeres Unternehmen outgesourct wird.

„Sollten die Hochbahn und Verkehrssenator Anjes Tjarks ein billigeres Unternehmen beauftragen, dann wäre der Hamburger Mindestlohn eine Luftnummer“

Irene Hatzidimou, Ver.di-Fachbereich Verkehr

Und das, obwohl alles in die Wege geleitet wurde, um die Inhouse-Vergabefähigkeit zu erreichen und die Hochbahn die Tereg ohne Ausschreibung direkt beauftragen könne. „Sollten die Hochbahn und Verkehrssenator Anjes Tjarks ein billigeres Unternehmen beauftragen, dann wäre der Hamburger Mindestlohn eine Luftnummer“, kritisiert Gewerkschaftssekretärin Irene Hatzidimou, vom Ver.di-Fachbereich Verkehr. Kritik übt die Gewerkschaft auch an der Befristungs­politik des Unternehmens. 80 Prozent der Einstellungen bei Tereg erfolgen befristet, geht aus der Anfrage hervor. „Warum im Reinigungsbereich eine Befristung mit Sachgrund ‚Erprobung‘ über die sechsmonatige Probezeit hinaus erforderlich sei, verstehe ich beim besten Willen nicht“, so Hatzidimou.

„Die Freie und Hansestadt täte gut daran, hier keine Outsourcing-Drohungen auszusprechen, sondern als öffentlicher Arbeitgeber seiner sozialen Verantwortung nachzukommen“, bekräftigt Natale Fontana, Ver.di-Fachbereichsleiter Verkehr. „Seit Jahren müssen die Beschäftigten bei Tereg mit einer massiven Arbeitsverdichtung kämpfen. Jetzt verlangen sie einen angemessenen Lohn, der auch Steigerungen zulässt.“

Die Ver.di-Tarifkommission bei Tereg will nun das weitere Vorgehen beraten und wartet auf eine Stellungnahme vom grünen Verkehrssenator Tjarks zu etwaigen Outsourcing-Plänen, so Hatzidimou zur taz.