berliner szenen
: Rendezvous mit AstraZeneca

An einem Dienstag ruft I. in der Praxis für Allgemeinmedizin und Geriatrie an. Wir haben noch keinen Hausarzt. Jetzt könnte man sich ja mal drum kümmern. Am Ende des Gesprächs lässt er durchblicken, dass wir auch an einer Corona-Impfung interessiert wären.

„Wie alt sind Sie denn?“ „Beide 53.“ „Ich setz Sie auf die Warteliste.“

Laut Impfomat, das weiß ich aber auch nur vom Hörensagen, wären wir erst im März 2022 dran. Schon einen Tag später kommt der Anruf. Wenn wir wollen, können wir am Freitag zum Impfen kommen … mit AstraZeneca. Jubel, schlechtes Gewissen (aber drängeln wir uns jetzt nicht vor?), wieder Jubel.

Am Freitag scheint die Sonne. Natürlich sind wir ein bisschen aufgeregt, aber auch sehr sehr froh, als wir zu der Praxis, einer ehemaligen Eckkneipe, radeln. Draußen vor dem Ausschank stehen lauter junge Menschen mit Maske, die sich testen lassen wollen. Sie sehen irgendwie traurig aus. Oder bilde ich mir das nur ein? Drinnen sitzt als einziger Patient ein alter Mann, der sich über ein Klemmbrett mit diversen Zetteln beugt, die er mit Bedacht ausfüllt.

Wir lassen uns nicht so viel Zeit, kreuzen hastig alles an oder auch nicht, und dann kommt auch schon die Ärztin, um uns abzuholen. Es fühlt sich nicht nur so an, als würden wir etwas Verbotenes tun. Für die KV geben wir Übergewicht und Bluthochdruck an. Letzteres stimmt sogar. Mit Scherzen und Plaudern lenken wir uns alle drei ab, während die Ärztin unsere Spritzen aufzieht und dabei voller Bedauern von ihren Ri­si­ko­pa­ti­en­t:in­nen über 70 erzählt, die sich partout nicht mit AstraZeneca impfen lassen wollen.

Genau zwei Wochen später gibt das Bundesland Berlin wie Bayern, Meck-Pomm und Sachsen den hochwirksamen Impfstoff für alle Altersgruppen frei.

Dorothee D ’Aprile