„Müssen aktiv werden“

Reiner Wild, Berliner Mieterverein, fordert einen Mietenstopp

Foto: privat

Reiner Wild

(67), Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Berlins größter Mieterorganisation mit über 180.000 Mitgliedern. Der studierte Soziologe leitet den Verwaltungsrat der Verbraucherzentrale Berlin.

Interview Tigran Petrosyan

taz: Herr Wild, der Berliner Senat plant Hilfen für die Mieter*innen, die nach dem Mietendeckel-Aus ihre Nachzahlung nicht leisten können. Das Förderprogramm „Sicher-Wohnen-Hilfe“ soll als zinsloses Darlehen gewährt werden. Sind diese Mie­te­r*in­nen dann noch von einer Kündigung bedroht?

Reiner Wild: Die Mittel sind da. Doch das heißt natürlich nicht, dass ein*e Ver­mie­te­r*in nicht trotzdem eine Kündigung ausspricht, wenn Mie­te­r*in­nen es versäumen, sich die Hilfe beim Land Berlin zu holen. Die Mie­te­r*in­nen müssen wirklich selbst aktiv werden. Das ist schon richtig.

Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten der Mietbegrenzung und für den Mieterschutz?

Die Mietpreisbremse ist aktuell die einzige Möglichkeit, noch zu einer Senkung zu kommen, um nicht alles nachzahlen zu müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat ja nur festgestellt, dass Berlin die Kompetenz für einen Mietendeckel nicht hat. Da kann man nun darüber streiten, ob das ein richtiges Urteil war. Aber nicht geurteilt worden ist über die Frage selbst, ob die Mietpreisregulierung verbessert werden kann. Deswegen setzen wir uns jetzt für eine schärfere Mietpreisregulierung auf Bundesebene ein.

Gibt es Fristen für die Mieter*innen, die die Nachzahlungen leisten müssen?

Die Mie­te­r*in­nen müssen unserer Einschätzung nach von sich aus innerhalb von 14 bis 30 Tagen nach dem 16. April – dem Tag, an dem der Mietendeckel gekippt wurde – die offenen Nachzahlungen leisten.

Gibt es Ausnahmen?

Eine Ausnahme sind die neuen Verträge, die nach dem 23. Februar 2020 geschlossen sind. Es gibt schriftliche Vereinbarungen, in der die/der Ver­mie­te­r*in ausdrücklich mitgeteilt hat, dass er/sie eine Nachforderung stellen wird, wenn der Mietendeckel verfassungswidrig ist. In diesem Fall kann der/die Mie­te­r*in abwarten.

Was fordern Sie für die Zukunft?

Wir sind in der Kampagne für einen Mietenstopp bundesweit aktiv – ob Mieten­deckel oder Mietenstopp, das ist jetzt erst mal nicht so wichtig. Da beteiligen sich eine ganze Reihe Organisationen wie der Deutsche Mieterbund, der Deutsche Gewerkschaftsbund und viele andere Mieterinitiativen. Aber die Grundsatzfrage ist, ob die Länder eine Zuständigkeit erhalten sollen durch den Bund oder ob der Bund das insgesamt regelt. Diese Diskussion ist eröffnet, lässt sich jetzt aber in der Kürze noch nicht beantworten. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Monaten dazu konkrete Konzepte entwickeln können, die dann auch die nächste Bundesregierung in Angriff nehmen kann.