heute im bundesrat
: „Wir brauchen einfach ein Umdenken“

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Florian Pfeffer

51, Designer, ist seit 2019 neben Alexandra Werwath Grünen-Landesvorstandssprecher.

Interview Eiken Bruhn

taz: Herr Pfeffer, die Bremer Grünen kritisieren in einem Positionspapier, dass Schulen erst bei einem Inzidenzwert von 200 schließen sollen. Heute behandelt der Bundesrat das neue Infektionsschutzgesetz, das die Schwelle auf 165 senkt. Reicht das?

Florian Pfeffer: Nein, das ist viel zu hoch.

Was wäre besser?

Ich will nicht um Inzidenzwerte feilschen. Klar ist, dass der Wert nicht um ein Vielfaches höher liegen darf als der angestrebte Inzidenzwert, bei dem sich die Pandemie gut unter Kontrolle halten lässt.

Es war ja mal die Rede von 35 …

Der gesamtgesellschaftliche Zielkorridor sollte in diesem Bereich liegen oder noch niedriger. Das betrifft nicht nur Schulen. Wenn wir bei hohen Werten öffnen, verlängern wir diesen „halben Lockdown“ immer weiter, weil die Zahlen sofort wieder stark steigen werden.

Die Hoffnung liegt auf den Impfungen.

Die ist nicht unberechtigt, aber es wäre doch gut, schon vorher so weit zu sein.

Oder gewappnet für Mutationen?

Ja. Wir brauchen einfach ein Umdenken – deshalb unser Positionspapier. Seit einem halben Jahr befinden sich Kultur, Einzelhandel, Sport und Gastronomie im Lockdown, zwischendurch geht mal wieder ein bisschen was …

Deshalb will die CDU Modellprojekte, damit häufiger ein bisschen was geht.

Das ist aus unserer Sicht eine völlig falsche Strategie, weil wir erst nachhaltig die Infektionsraten senken müssen. Dann haben wir ganz andere Möglichkeiten für Öffnungen.

In anderen Bundesländern sind auch die Schulen dicht. In Bremen werden die Grund­schü­le­r*in­nen sogar in voller Gruppenstärke unterrichtet. Ist das ein Spiel mit dem Feuer?

Es ist eine Notlösung. Kinder und Jugendliche sind auch unter den derzeitigen Regelungen in Bremen benachteiligt, auch wenn sie mehr Unterricht und damit mehr Sozialkontakte haben als in anderen Ländern. Deshalb sagen wir ja auch, dass viel mehr geschehen muss als nur Distanzunterricht. Wir wollen, dass alle ihre Freiheiten zurückbekommen.

Aber das ist so schön leicht. In Schulen kann man auch Masken- und Testpflicht anordnen.

Und wird sofort beklagt. Ich kann allerdings nicht nachvollziehen, warum das, was Schü­le­r*in­nen können, für Unternehmen so schwierig sein soll.

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) weist ständig darauf hin, dass Unternehmen stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Auf die Idee hätte er doch vor einem halben Jahr kommen können.

Da müssen Sie ihn selbst fragen.

Will ich, aber Ihre Partei regiert hier mit.

Wissen Sie, ich frage mich auch oft, warum ich manches erst jetzt sehe. Aber genau deshalb setzen wir uns für ein Umsteuern ein. Wir müssen endlich zu einem vorausschauenden Umgang mit der Pandemie kommen und organisieren uns den Rückhalt für diese Position.

Haben Sie den?

Wir arbeiten dran. Nach meinem Eindruck ist bei der zurückgenommenen Osterruhe bei vielen Menschen etwas gekippt. Ich halte das deshalb für mehrheitsfähig.

Läuft Ihr Papier auf dasselbe hinaus, was die Zero-Covid-Initiative fordert?

Es ist ähnlich. Ich würde es Low Covid nennen. Ich fürchte, wir werden mit dem Erreger dauerhaft leben müssen und sollten nicht etwas versprechen, was sich nicht einhalten lässt.