TV-Produktion während Corona: Das Streaming boomt

Die Pandemie hat die Fernsehwelt durcheinandergebracht, ihr aber nicht geschadet. Denn die Nachfrage nach Streamingangeboten steigt enorm.

Ein Mann vor dem Fernseher beim Zappen durch Streamingdienste

Mehr als 1,2 Milliarden Nutzerkonten soll es weltweit bei Streamingdiensten geben Foto: Thomas Trutschel/photothek/imago

Als Disney+ im Februar verkündete, zehn „europäische Originals“ in Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden zu produzieren, war das wohl eine weitere Ansage eines großen Streaminganbieters an die klassischen TV-Sender. Nicht nur die Mega-Blockbuster oder US-Serien sind für das internationale Publikum von Bezahldiensten inzwischen interessant, sondern auch „lokale Inhalte“.

Das aber haben die alteingesessenen Fernsehstationen inzwischen verstanden. So schätzt es Lucy Smith ein, Chefin der weltgrößten Programmmesse MIPTV. Die Streamer seien zwar mit dieser Strategie gestartet, „aber alle anderen Marktteilnehmer sind nun mit eingestiegen“, sagt Smith. Die unterschiedlichsten Partner würden zusammenarbeiten, um eine auch durch Corona „gigantisch gestiegene Nachfrage“ zu befriedigen. Das Marktforschungsunternehmen Ampere Analysis hat errechnet, dass Netflix mit Blick auf die Einnahmen inzwischen Europas zweitgrößte Fernsehgruppe ist. LightShed Research geht von weltweit mehr als 1,2 Milliarden Nutzerkonten aus.

„Europäische Inhalte – deutsche, französische, spanische und schwedische Produktionen sind in allen Märkten der Welt begehrt, das hat es früher nicht gegeben“, sagt Smith. Ein Beispiel dafür ist „Atlantic Crossing“. Die Münchener Beta Film verkaufte die vom skandinavischen Sender NRK in Auftrag gegebene Serie gerade unter anderem an die spanische Plattform Cinestar+. In Deutschland läuft die Reihe über die norwegische Kronprinzessin Martha auf Magenta TV, in den USA startete sie vorletzte Woche auf PBS und in Frankreich, Italien sowie anderen europäischen Ländern wird sie ebenfalls bald zu sehen sein. Laut Amsterdamer Marktforscher Flixpatrol belegt die Serie bei iTunes TV Shows Platz vier der weltweiten Top Ten.

Die Nachfrage nach Serien, Filmen, Soaps und Shows ist wegen der Pandemie höher denn je, doch zeitgleich wurden die Produktionsbedingungen für ebendiese Formate im letzten Jahr erschwert: Projekte mussten geschoben werden, Sicherheitsmaßnahmen und Quarantänebedingungen beeinträchtigten die Drehs.

Einfluss auf die Umwelt

Corona habe allerdings einen erfreulichen Nebeneffekt auf die Umwelt. So sieht es René Jamm von Warner Bros ITVP. „Wir haben uns beispielsweise daran gewöhnt, Videokonferenzen zu führen und müssen nicht mehr ständig in Deutschland von Köln nach München oder Berlin reisen – da ist eine neue Kultur entstanden.“ Und genau das war auf der MIPTV, die diesmal nicht in Cannes, sondern digital stattfand, großes Thema. Seit vergangenem Jahr werden auf der Messe in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen gemäß deren 17 „Sustainable Development Goals“ die nachhaltigsten Medienunternehmen ausgezeichnet, diesmal war es der amerikanische Fernsehkonzern A+E Networks. „Die Fernsehbranche kann eine wichtige Rolle bei der Bewältigung einiger unserer größten Entwicklungsherausforderungen einnehmen – einschließlich Impfstoffzugang und Klimaschutz “, sagte Melissa Fleming von der UN anlässlich der Ehrung.

„In der Medienbranche gibt es da eigentlich schon länger einen Konsens“, beschreibt Jamm die generelle Entwicklung, „bei uns zum Beispiel sind 60 Prozent des Teams weiblich, hier wird ‚mixed culture‘ gelebt, unser Standort in Köln wurde mit dem DGNB Zertifikat für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet, wir arbeiten zu 80 Prozent papierlos und vieles mehr.“ Überhaupt ist die „leichte“ Unterhaltung immer mehr dabei, Umwelt und Nachhaltigkeit inhaltlich zu thematisieren. Kürzlich ist etwa die Comedyserie „Mirella Schulze rettet die Welt“ von EndemolShine auf TVNow gestartet – der Kampf einer Dreizehnjährigen um Klimaschutz.

Oft vergessen wird dabei allerdings, dass der steigende Medienkonsum das Klima auch belasten kann. Fünf Prozent der globalen ­CO­­­2-Emissionen sind digital, schätzt die Schweizer Firma Quantis, die auf die Berechnung von Ökobilanzen spezialisiert ist. Das wäre eine höhere Belastung als durch Flugverkehr.

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