Tschechiens Konflikt mit Russland: Prager Sonderrechnung

Tschechiens Ministerpräsident Babiš macht Russland für die Explosion eines Munitionslager mit zwei Toten 2014 verantwortlich. Vorwahlgeplänkel?

Protest auf Tschechisch: Demonstrantin vor der russischen Botschaft in Orag Foto: Petr David Josek/ap

PRAG taz | Der Konflikt um die Ukraine wird auch in Tschechien ausgetragen. In einer eigens anberaumten Pressekonferenz am Samstagabend gab Ministerpräsident Andrej Babiš bekannt, der russische Geheimdienst GRU sei verantwortlich für eine Serie von Explosionen, in einem Munitionslager vor sieben Jahren im Nordosten des Landes.

In einem ehemaligen Militärgebiet nahe Ostrava waren Ende 2014 aus ungeklärten Gründen Waffenlager explodiert. Die Explosionen waren damals kaum unter Kontrolle zu bekommen, Munitionsteile waren im gesamten Wald, der das Lager umgibt, verstreut. Das Gelände musste aus Sicherheitsgründen jahrelang abgeriegelt bleiben.

Nun berichtet das Nachrichtenmagazin Respekt, dass dieselben Agenten, die 2018 das Attentat auf Sergej Skripal verüben sollten, vier Jahre zuvor nach Tschechien gereist und dort um das Munitionslager gekreist seien, das kurze Zeit später in die Luft flog. In diesem habe ein bulgarischer Waffenhändler, der später vergiftet wurde, den Giftanschlag aber überlebt hatte, Waffen und Munition gelagert, die für die Ukraine bestimmt waren.

Das Magazin Respekt ist bekannt dafür, dass es sich vom tschechischen Nachrichtendienst BIS gerne mal als ein Kommunikationsinstrument missbrauchen lässt. Dementsprechend gut belegt ist die Theorie mit Fotos und Bewegungsabläufen der GRU-Agenten.

Historisch gewachsenes Misstrauen

Dass Ministerpräsident Babiš die Russen ganz öffentlich beschuldigt, ist allein schon erstaunlich genug. Auch die Deutlichkeit seines Statements war überraschend. Weniger überraschend dagegen die rasante Ausweisung von 18 russischen Diplomaten, die angewiesen wurden innerhalb von 48 Stunden das Land zu verlassen.

Das Verhältnis zu Russland ist immer ein Thema in Tschechien. Viele Tschechen werten Russland als Bedrohung, aufgrund historischer Erfahrungen steht man dem großen Reich im Osten eher misstrauisch gegenüber.

Dass Russland jetzt seinen Konflikt mit der Ukraine in Tschechien ausgetragen hat – immerhin zwei Menschen sind dabei ums Leben gekommen –, ist für viele eine kaum erträgliche Vorstellung. Umso mehr, da es aktuell um zwei Dinge geht, die ein halbes Jahr vor den Wahlen den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen. Beide mit Russlandbezug.

Zum einen geht es um Sputnik V, das Präsident Zeman, selbst Biontech geimpft, am liebsten sofort und ohne weitere Checks dem Volk verabreichen würde. Zum anderen geht es um die Erweiterung des Atomkraftwerks Dukovany, die, wie es aussieht, der russische Staatskonzern Rosatom übernehmen soll.

Wie, fragt man sich nun, kann man einem Land als Partner vertrauen, das hier Munitionslager in die Luft sprengt? Das Verhältnis zu Russland wird im Wahlkampf nun umso mehr eine Rolle spielen. Dabei hofft Tschechien auch auf ein Zeichen Brüssels, das Moskau klar macht: Der Donbas liegt nicht im Nordosten Tschechiens.

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