Berlins Hochschulen in der Coronakrise: Auf zum Protest-Seminar

Im April beginnt das bereits dritte Online-Semester in Folge. Studierende und Do­zen­t:in­nen fordern deshalb Konzepte für Lehre in Präsenz.

Menschen sitzen vor dem Roten Rathaus

Leute, so ähnlich war Studieren mal vor langer Zeit: Protest-Seminar vor dem Roten Rathaus Foto: Oscar Fuchs

BERLIN taz | Ein Jahr lang hat es keine Präsenzlehre an den Hochschulen gegeben. Grund genug für eine Gruppe von Studierenden, selbst aktiv zu werden: Am Donnerstagnachmittag veranstalteten rund 50 von ihnen vor dem Roten Rathaus ein Open-Air-Seminar. Maskiert und mit Abstand saßen die Studierenden auf Stühlen und auf dem Boden beisammen. Die Re­fe­ren­t:in­nen sprachen über Platon, eine gerechtere Welt und ihre Erfahrungen in der Online-Lehre.

Veranstaltet wurde das Seminar durch die Studierenden-Initiative #NichtNurOnline. Die Gruppe fordert, Öffnungschancen für die Hochschulen zu schaffen. Perspektiven würden in den Plänen der Bund-Länder-Konferenz für die verschiedensten Branchen geboten, aber nicht für die Hochschulen. Mitte März hatte die Initiative die Humboldt-Universität symbolisch versteigert, um auf Schwierigkeiten in der Online-Lehre hinzuweisen.

Für das Freiluftseminar unter dem Motto „Uni vorm Roten Rathaus“ hätte man sich zugegebenermaßen auch einfachere Themen vorstellen können: Zunächst referierte die Literaturwissenschaftlerin Giulia Maria Chesi über Platon und das Recht auf Bildung für alle, bevor der Philologe Roberto Lo Presti über Sokrates' Unsterblichkeit der Seele sprach.

Lo Presti betonte in seinem Vortrag, dass zur Lehre mehr gehöre als nur die Vermittlung von Wissen: „Es fehlt der körperliche Aspekt des Studiums. In der Uni geht es auch um emotionales Wachstum und um einen transformativen Prozess.“ In der digitalen Lehre fehle es daher besonders an einer zwischenmenschlichen Dimension.

Do­zen­t:in­nen fordern Konzept für Präzenzlehre
Ein Mensch geht eine Treppe hinauf in der Humboldtuniversität

Sehnsucht nach Marx: Aufgang im Hauptgebäude der HU Foto: dpa

Lo Presti und Chesi, beide Do­zen­t:in­nen an der Humboldt-Universität, wandten sich kürzlich mit einem offenen Brief an den rot-rot-grünen Berliner Senat und die Hochschulleitungen. Darin machen sie konkrete Vorschläge, wie eine Rückkehr an die Hochschulen aussehen könnte: Im kommenden Sommersemester, das rein digital geplant wurde, sollen Lehrveranstaltungen zunächst in kleinen Gruppen ermöglicht werden – am besten an der frischen Luft und unter „strengen Hygienebedingungen“, heißt es in dem Schreiben. Auch die Bibliotheken sollen ihre Türen für einen Lesebetrieb mit Hygienekonzept öffnen dürfen.

Im Winter solle dann ein Hybridsemester folgen, also eine Mischung aus Online- und Präsenzveranstaltungen. Dabei helfen sollen Schnelltests für Studierende und Do­zen­t:in­nen sowie eine strenge Kontaktverfolgung. In Person in die Uni zu kommen, soll außerdem freiwillig bleiben. Bisher haben den Brief 70 Do­zen­t:in­nen von diversen Berliner Hochschulen unterschrieben.

Öffnungen der Hochschulen zu fordern, während aktuell die Corona-Infektionszahlen wieder steigen, scheint vom Timing zunächst unglücklich. In den Redebeiträgen wurde aber, wie auch schon bei der HU-Versteigerung betont, dass es nur um vorsichtige Öffnungsschritte gehen könne.

Bis zum nächsten Seminar in Person könnte noch einige Zeit vergehen. Maya Pasdika von #NichtNurOnline freute sich daher, mal wieder mit anderen Studierenden zusammen gelernt zu haben: „Nach einem Jahr digital studieren ist man das Gefühl gar nicht mehr gewohnt. Nach der Veranstaltung merkt man richtig, wie sehr das gefehlt hat.“

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