Verkochen, versieden, verseifen

Die Chemikerin Barbara Olbrich Deussner vom Seifenhersteller Kappus gibt Auskunft über die historischen Ursprünge der Seife

taz am wochenende: Wer hat die Seife erfunden?

Barbara Olbrich: Das erste bekannte Rezept haben die Sumerer vor 4.500 Jahren im heutigen Irak entwickelt: einen Mix aus Pflanzenölen und Pflanzen­­asche. Diese Mischung wurde aber nicht als Reinigungs-, sondern als Heilmittel benutzt. Dass die Mischung sich positiv aufs Wohlbefinden auswirkte, weil sie sauber macht, erkannten erst die Römer über 2.000 Jahre später. Seife, wie wir sie kennen, gibt es aber erst seit dem 7. Jahrhundert: Die Araber ersetzten die Pottasche durch Lauge und kochten die Mischung so lange, bis die ölige Masse fest wurde.

War Seife in früheren Zeiten ein Luxusgut?

Ja. Normale Leute konnten Seife nur dort benutzen, wo es viele Mineralien gab, aus denen Soda gewonnen werden konnte, zum Beispiel in Ägypten an den Salzseen. Die ersten europäischen Seifensieder entwickelten sich in Marseille im 9. Jahrhundert. Als sich im 14. Jahrhundert Seuchen wie Pest und Cholera verbreiteten, bekamen die Menschen Angst vorm Waschen, weil sie glaubten, das Wasser könne die Krankheitserreger übertragen. Wasser und Seife waren sogar in den vornehmsten Kreisen verpönt. So puderte und parfümierte man in den Königshäusern einfach nur noch drüber. Viele Menschen starben damals an mangelnder Hygiene. Erst Ludwig XIV. machte die Seife salonfähig, als er im 17. Jahrhundert die besten Seifensieder von Marseille nach Versailles holte und sogar ein eigenes Reinheitsgebot für Seife erließ: Mindestens 72 Prozent reines Öl musste eine hochwertige Seife enthalten. Die Savon de Marseille ist noch heute berühmt und beliebt.

Besteht das Reinheitsgebot für Seife noch?

Nein, heute sind Seifen kosmetische Mittel und werden in Europa durch die EU-Kosmetik-Verordnung geregelt.

Wie wurde Seife zur Massenware?

Da Soda nur in geringen Mengen in der Natur vorkommt, entwickelte Nicolas Leblanc 1791 ein Verfahren zur künstlichen Gewinnung von Soda. Das war der Startschuss zur industriellen Herstellung, wodurch sich das Hygieneverständnis der Menschen komplett änderte. Ab jetzt wuschen sie sich und ihre Kleidung regelmäßig mit Seife.

Hat sich die Herstellung von Seife geändert?

Außer, dass nicht mehr alles mit der Hand hergestellt wird, nicht viel. Zur Herstellung werden immer noch Fette mit einer Lauge verkocht. Dieses Verfahren nennt man Seifensieden. Bei der sogenannten Verseifung werden dann die Fette in Glycerin und die Fettsäuren in Alkalisalze zerlegt. Als Grundseife entsteht so die Kernseife, die ehrlichste und reinste Form der Seife. Die wird dann weiter veredelt, zum Beispiel mit Parfums oder Kräutern.

Interview: Lea Schulze