diversität im parlament
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Der Frauenanteil steigt – aber nur wegen der Grünen

Baden-Württembergs Parlament tut sich mit der paritätischen Sitzverteilung besonders schwer. Nun liegt alle Hoffnung auf der Wahlrechtsreform

Die Union war gegen eine Reform – das kostete Susanne Eisenmann den Sitz

Von Patricia Hecht

Die gute Nachricht ist: In Sachen Frauenanteil im Landtag holt Baden-Württemberg gerade etwas auf. Die schlechte: Lange Jahre bildete er das Schlusslicht unter den deutschen Landesparlamenten. Einzig den Nachrückerinnen war es zu verdanken, dass sich der bisherige Landtag mit weniger als 27 Prozent Frauenanteil im bundesweiten Vergleich vom letzten auf den drittletzten Platz schob. In seiner neuen Zusammensetzung wird der Frauenanteil nun zwar auf rund 29 Prozent klettern, ist damit allerdings noch immer weit entfernt von Spitzenreitern wie Hamburg, wo die paritätische Besetzung mit 44 Prozent weiblicher Abgeordneter nicht mehr allzu weit entfernt scheint.

Auffällig in Baden-Württemberg ist, dass rund zwei Drittel aller weiblichen Abgeordneten Grüne sind – bei fünf im Landtag vertretenen Fraktionen. Bei den Grünen sind gut 48 Prozent Frauen aktiv, die CDU liegt bei weniger als einem Drittel, die SPD bei 16 Prozent, die FDP bei 11 Prozent und die AfD bei 6 Prozent, was in diesem Fall einer einzigen Abgeordneten entspricht.

Dass der Schnitt jenseits der Grünen weiterhin mager bleibt, ist kein Zufall. Während es Politikerinnen aufgrund von fehlender Kinderbetreuung und unkalkulierbaren Abendterminen sowieso schon schwer genug gemacht wird, hält Baden-Württemberg noch eine ganz eigene Hürde für sie bereit: Anders als normalerweise gibt es im baden-württembergischen Wahlsystem keine Zweitstimme. Ins Parlament einziehen kann nur, wer als Direktkan­di­dat:in in einem Landkreis aufgestellt wurde. Aber „Direktmandate sind traditionell etwas, das Männer eher unter sich ausmachen“, sagt die Direktorin der Politischen Akademie Tutzing, Ursula Münch. „Das sind prestigereiche und personalisierte Pfründe, die verteidigt werden.“ Landeslisten, die es den Parteien ermöglichen würden, über quotierte Aufstellungen Einfluss auf die Zusammensetzung der Abgeordneten zu nehmen, gibt es in Baden-Württemberg nicht.

Wie kommt es dann, dass die grüne Fraktion dennoch nahezu paritätisch im Landtag vertreten ist? „Dass wir den traurigen Frauenanteil so deutlich heben, liegt vor allem daran, dass uns Parität seit unseren Gründungsjahren in die DNA geschrieben ist“, sagt die baden-württembergische Landesvorsitzende Sandra Detzer. Durch das Frauenstatut, das verpflichtende Doppelspitzen und Mentoringprogramme beinhaltet, würden Frauen bei den Grünen auf allen Ebenen gefördert. „Das wirkt.“

Da die übrigen Parteien aber ganz offensichtlich nicht so arbeiteten, brauche es dringend strukturelle Weichenstellungen über eine Reform des Wahlrechts, sagt Detzer. Und eigentlich hätte diese Reform auch schon längst umgesetzt sein sollen. Im Koalitionsvertrag zwischen Grünen und Union war festgeschrieben, eine Landesliste einzuführen, „um die baden-württembergische Gesellschaft künftig in ihrer ganzen Breite“ abzubilden. Die Union jedoch brach diese Vereinbarung in der vergangenen Legislatur – und brachte damit die Koalition ins Wanken.

Bei der Wahl allerdings machte die CDU ihre ganz eigenen Erfahrungen mit den Besonderheiten des Wahlrechts: Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann zog, da sie nicht über einen Listenplatz abgesichert war, nicht in den Landtag ein. Und auch sonst waren die Verluste der Union, die unbedingt mitregieren will, schmerzhaft. „Daran wird klar, dass die Union zwar 1960 noch weitgehend ohne Frauen auskam, heute aber nicht mehr“, sagt Detzer.

Die gesetzliche Einführung einer Quotierung, wie sie in Thüringen und Brandenburg vereinbart, aber durch die Gerichte gekippt wurde, wird es in Baden-Württemberg vorerst nicht geben. Zwar gebe es Sympathien für ein paritätisches Wahlrecht, doch um die Minimalvariante nicht zu gefährden, bleibe es vorerst bei dem Wunsch nach Listen, sagt Detzer. „Die Frauenfrage wird damit nicht umfassend gelöst – aber es wäre eine wichtige Weichen­stellung für mehr Vielfalt.“