Covid-Aufklärung in ärmeren Stadtteilen: Linke fordert „Corona Guides“

Die Linkspartei fordert für Hamburg aufsuchende Corona-Aufklärung in ärmeren Stadtteilen – nach Bremer Vorbild. Rot-Grün hat die Entscheidung vertagt.

Bürgermeister Peter Tschentscher zieht eine Spritze auf.

Macht sich im Impfzentrum in den Messehallen nützlich: Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher Foto: Georg Wendt/dpa

HAMBURG taz | In Hamburg unterscheiden sich die Inzidenzzahlen stark von Stadtteil zu Stadtteil. Als Faustformel gilt: Je ärmer ein Quartier, umso stärker sind seine Be­woh­ne­r*in­nen von der Pandemie betroffen. Besonders hohe Inzidenzen notieren Stadtteile wie Wilhelmsburg, die Veddel, Harburg oder Billstedt. Die genauen Zahlen sind nicht bekannt, da Hamburg, anders als andere Städte, keine kleinräumigen Daten über das Infektionsgeschehen erhebt. Doch für den gesundheitspolitischen Sprecher der Linkspartei, Deniz Çelik, ist auch aufgrund der vorhandenen Datenbasis klar: „Wer arm ist, hat ein größeres Infektionsrisiko und ein größeres Risiko, an Covid-19 schwer zu erkranken.“

Die Gründe dafür, laut Çelik: „Menschen in prekären Lebenslagen leben oft in engen Wohnungsverhältnissen, können viel seltener auf Homeoffice ausweichen und sind häufiger auf die Nutzung des überfüllten ÖPNV angewiesen.“ Ihre Lebensbedingungen erschwerten die Befolgung von AHA-Regeln und begünstigten Infektionen. AHA steht für Abstand halten, Hygieneregeln beachten und im Alltag Maske tragen.

Zudem betrieben Menschen aus gut situierten Verhältnissen in der Regel eine bessere Gesundheitsvorsorge und lebten auch gesünder, was die Wahrscheinlichkeit eines leichteren Krankheitsverlaufs erhöhe.

Dem Senat wirft Çelik vor, „die soziale Dimension der Pandemie nicht im Blick“ zu haben. In einem Zusatzantrag zur neuen Eindämmungsverordnung des Senats forderte die Linksfraktion deshalb am Mittwoch in der Bürgerschaft, in den von der Pandemie am stärksten betroffenen Quartieren mit „Corona Guides“ nach Bremer und Berliner Vorbild vor Ort zu sein. „Menschen, die sich weniger gut schützen können, müssen mit aufsuchenden Angeboten unterstützt werden.“

Die Linke will, dass die Corona Guides An­woh­ne­r*in­nen in verschiedenen Sprachen mit Infos versorgen und Schnelltests anbieten

Unter „Corona Guides“, stellt sich Çelik mobile Einheiten von haupt- und nebenberuflichen Mit­ar­bei­te­r*in­nen vor, die in enger Absprache mit den bezirklichen Gesundheitsämtern agieren. Sie sollen in den ärmeren Stadtteilen „täglich präsent sein, mit den An­woh­ne­r*in­nen sprechen, sie vielsprachig mit Infos versorgen, Schutzmasken verteilen und auch Schnelltests anbieten“.

In Bremen zog der Haushaltsausschuss der Bürgerschaft bereits vergangenen Dezember die Konsequenz aus den alarmierenden Werten in Bremens und Bremerhavens sozial abgehängten Stadtteilen und bewilligte ein 1,12 Millionen Euro schweres Aktionspaket „zur Bewältigung der Folgen der Pandemie im Quartier“. Das Geld ist für zusätzliche Stra­ßen­so­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen und Ge­sund­heits­lot­s*in­nen eingeplant – für die Hamburger Linke ein Vorbild. „Wir brauchen endlich einen privilegierten Schutz für unterprivilegierte Stadtteile“, sagt Çelik.

Die rot-grüne Koalition aber wollte am Mittwoch über den linken Zusatzantrag zur aktuellen „Verordnung zur Änderung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung“ nicht diskutieren und verlor in der Debatte nicht ein einziges Wort über den Vorstoß der Oppositionsfraktion.

Stattdessen überwies die rot-grüne Bürgerschaftsmehrheit den Antrag der Linken zusammen mit drei weiteren Zusatzanträgen von Linken und CDU – die einen Impf-Drive-in auf dem Messegelände fordert – in den Verfassungsausschuss.

Dort sei der richtige Platz, sagte die SPD-Abgeordnete Claudia Loss, „um sie ausführlich zu beraten“. Das aber kann dauern. Dabei wäre nun Eile vonnöten, meint Çelik, um „die Dynamik der dritten Welle noch zu brechen“.

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