Nase voll von Corona­showdowns bei Nacht

Am Tag nach der jüngsten Bund-Länder-Konferenz hadern Po­li­ti­ke­r*in­nen aller Lager mit den Marathonsitzungen von Kanzlerin und Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen

Von Tobias Schulze

Am Tag danach waren sogar diejenigen unzufrieden, die an der Bund-Länder-Runde vom Montag selbst beteiligt waren. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) klagte am Dienstagvormittag: „MPKs, die 15 Stunden dauern, bei denen dann die wesentlichen Entscheidungen zwischen ein und drei Uhr nachts gefällt werden, bergen die Gefahr, dass am Ende nicht alle Details geklärt sind.“ Gerade bei sensiblen Fragen erschwere das hinterher auch die Kommunikation.

So mühsam wie vielleicht nie zuvor war die jüngste Coronakonferenz von Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen und Kanzlerin verlaufen. Um 14 Uhr sollte es am Montag eigentlich losgehen, aber schon der Start verzögerte sich. Später verhakten sich die Teil­neh­me­r*in­nen so sehr, dass die Runde für Stunden unterbrochen werden musste. Erst um halb drei in der Nacht verkündeten Merkel und Co die Ergebnisse: Weder nennenswerte Lockerungen noch nennenswerte Verschärfungen, lediglich etwas weniger Freiheiten am Osterwochenende (siehe Seite 3).

„Nicht der große Sprung“, sagte dazu am Dienstag selbst Unions-Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Ähnlich wie Söder kritisierte er das Entscheidungsformat der Bund-Länder-Runden. Bei den Entscheidungen gebe es „schwierige institutionelle Bedingungen“, die in der Krise „nicht zu hundert Prozent geeignet“ seien, „konsequent und schnell zu handeln“. Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte: „Die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen­kon­fe­renz ist nicht der Ort, an dem sinnvolle Entscheidungen getroffen werden können.“ Die Entscheidungen müssten stattdessen „ins Parlament, in den Bundestag und in den Bundesrat“, wo Argumente transparent ausgetauscht werden könnten.

Kritik kam auch aus den übrigen Bundestagsfraktionen, wobei die Maßnahmen den einen zu hart, den anderen dagegen zu locker sind. FDP-Fraktionschef Christian Lindner fehlte beim „Showdown bis in die Morgenstunden“ das „Vertrauen in die Gesellschaft“. Die Menschen könnten Risiken selbst einschätzen, sagte er. Zudem hätten viele Betriebe zum Schutz ihres Personals und ihrer Kun­d*in­nen ausreichende Hygienekonzepte ausgearbeitet. Und: Von Familienbesuchen geimpfter Großeltern abzuraten sei „lebensfremd“.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dagegen: „Ich hätte es klar bevorzugt, wenn wir bis zu funk­tio­nierenden Testungen in Schulen und Betrieben Ausgangssperren verhängt hätten.“ Die Einschränkungen zu Ostern hätten nur eine Wirkung, wenn sie ein Signal setzen, dass „wir ein riesiges Problem haben“, und wenn die Menschen „vor und nach dem Lockdown ihr Verhalten“ änderten, sagte Lauterbach weiter.

Unbeeindruckt von der politischen Diskussion entwickelten sich derweil die Coronazahlen. Das Robert-Koch-Institut meldete am Dienstagmorgen 7.485 bestätigte Neuinfektionen. Der 7-Tage-Mittelwert stieg dadurch im Vergleich zur Vorwoche um 30 Prozent. Auch die Zahl der Coronapatient*innen auf den Intensivstationen steigt mittlerweile wieder. Der 7-Tage-Mittelwert der Corona­toten liegt mit 187 noch unter dem Niveau der Vorwoche, in den letzten drei Tagen ist die Tendenz aber auch hier wieder steigend.