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Klassenkämpfer vor Gericht

Rechtsanwalt Rolf Geffken hat ein Buch über 40 Jahre Arbeitsleben geschrieben. Jura und Autobiografie verdichten sich darin zu einer linken Bewegungsgeschichte – mal mehr, mal weniger großer Schlachten

Sternstunde der 68er: Rolf Geffken war dabei Foto: dpa

Von Jan-Paul Koopmann

Die Figur des linken Rechtsanwalts ist doppelt unbeliebt: weil sie links ist und Anwalt. Liedermacher Franz Josef Degenhardt hat mal aus einem Drohbrief vorgesungen: „Sehr geehrter Linksanwalt, gehörst ganz einfach abgeknallt.“ Da kam viel zusammen: kalter Krieg und Baader-Meinhof und die wohl urtümliche Rachelust gegenüber Straftätern, denen schwurbelnde Akademiker den Rücken stärken.

Rolf Geffken ist so ein Linksanwalt, der allerdings mit Ter­ro­ris­t:in­nen wenig zu tun hat – denn Rolf Geffken ist Arbeitsrechtler. Und davon handelt auch sein soeben im THK-Verlag erschienenes Buch „Einspruch im Namen der Arbeit“. Klassische Gerichtsreportagen bleiben dabei die Ausnahme, meist sind es erzählerische Texte über die Fälle, und jede Menge Selbstbeschau aus Verteidigerperspektive.

Autobiografisch ist der Band auch. Dass Geffken sich als 68er sieht, steht schon auf dem Buchdeckel. Es stimmt auch: Je­de:r hat gehört von den Studierenden mit dem Transparent: „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“. Das war bei Geffkens Immatrikulationsfeier im Oktober 1967. Sein Studium der Rechtswissenschaften ist geprägt von Reibereien mit konservativen aber irgendwie doch lehrreichen Profs. Verbeamtet wird er vorerst nicht, von wegen Radikalenerlass. Promovieren wird er schließlich an der Uni Bremen, der „Roten Kaderschmiede“.

Nicht alle Fälle im Buch sind spektakulär. Mal geht es nur um eine Schlägerei unter Taxifahrern, die erst bedeutsam wird, weil sie vom Rassismus unter Kollegen erzählt. Wie gesagt: Rolf Geffken ist Arbeitsrechtler, einer der sich aufs Seerecht versteht und seit Jahrzehnten philip­pinische Seeleute vertritt. Deren Ausbeutung auf den Großschiffen des Großkapitals war so etwas wie der Prototyp globalisierter Zurichtung des Arbeitslebens.

Solche Perspektivwechsel sind das Beste am Buch: Wie Geffken für Recherche auf die Philippinen reist und dort eine komplett andere juristische Kultur vorfindet. Auf dem Inselstaat haben Anwälte das Sagen, weil Richter und Professoren dermaßen schlecht bezahlt werden, dass es „die Qualität“, wie Geffken schreibt, nicht lange auf solchen hierzulande honorigen Posten hält.

Einmal führt Geffken eine Liste großer Auseinandersetzungen auf: 1968, der Kampf gegen die Notstandsgesetze, in den 70ern Protest gegen Berufsverbote und 1988/89 dann der Streit ums Zweite Schiffsregister. Dass der Laie nur zwei dieser drei historischen Kämpfe erinnert, dürfte auch daran liegen, dass sonst eher Strafrechtler Geschichts-TV und Bestsellerlisten dominieren. Geffkens Engagement im Arbeitskampf ist basisnäher und verdienstvoll gerade da, wo er institutionalisierte Gewerkschaften und Betriebsräte zu Gegenspielern hat.

Ein Held ist Geffken darum aber wohl nicht. In seinen Texten wirkt er nicht mal sonderlich sympathisch. Weil er immer alles besser weiß, sich über Klienten auslässt oder mit hämischer Freude beschreibt, wie ein Kollege bei der Richterin auf den Tisch schlägt. Sie: weiblich, „sehr jung“ und „augenscheinlich der besitzenden Klasse angehörig“. Er: ein resoluter Alter, der weiß, was Sache ist, und das auch durchsetzen kann gegen das junge Gemüse. Aber ob man solche Typen nun mag: Es lässt sich kaum bestreiten, dass der Kampf um die Betriebe von anderen kaum geführt wird. Versöhnlicher lesen sich trotzdem die Geschichten, in denen alles schief geht.

Ein Highlight in diesem Sinne ist eine Veranstaltung mit dem damals Gerade-noch-DDR-Ministerpräsidenten Hans ­Modrow. Im Herbst 1989 wollte Geffken mit ihm eine Konferenz über Arbeitsrecht und die Umgestaltung der DDR durchführen, über neues Arbeiten und linke Perspektiven aufs kommende Deutschland. Geffkens Texte über diese Umbruchszeit sind es, an denen sich am klarsten seine Haltung zum Recht ablesen lässt: Es muss erkämpft werden oder es ist wenig wert. Ganz besonders in dieser als „Wiedervereinigung“ bekannten Systemkonfrontation.

Aber zurück zur Konferenz mit Modrow und warum die Geschichte so schön ist: Sie hat nämlich gar nicht stattgefunden, weil die Teilnehmenden sich nicht über die Erstattung der Fahrtkosten einig wurden und ihnen das damals ohne ­E-Mails einfach zu kompliziert wurde.

Rolf Geffkens Buch ist weder durchbuchstabierte Rechtsphilosophie noch wildes Manifest. Sein Gehalt steht zwischen den Zeilen, manchmal sehr versteckt, dann aber stets erhellend. Lehrreich ist es vor allem da, wo es den deutschen Ist-Zustand hinter sich lässt: auf den Philippinen zum Beispiel, oder in der neuen und besseren DDR, aus der dann doch nichts wurde.

Rolf Geffken: „Einspruch im Namen der Arbeit“, THK-Verlag 2021, 380 Seiten, 19,90 Euro