Kein Plakat in Eddelak

WAHLKAMPF In Schleswig-Holstein wird am Wochenende gewählt. CDU und SPD haben es im Land besonders schwer, in machen Orten sind die zwei Volksparteien kaum noch vertreten

Der 1.450-Seelen-Ort hat seine SPD verloren, unpolitisch wurde er nicht

VON ESTHER GEISSLINGER

Die Kaffeerunde hat von ihrem Platz in der Bäckerei einen guten Blick auf die Eddelaker Hauptstraße – nicht, dass es da viel zu sehen gebe, nur schmucke Einfamilienhäuser, hin und wieder ein Wagen. Um das Dorf Felder, Weiden, darüber ein endloser Himmel: Im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein spielt sich Landschaft vor allem in den Wolken ab. Drei Jahre ist es her, dass Eddelak kurz berühmt wurde: damals, als der gesamte SPD-Ortsverein die Partei verließ.

„Da fährt der Bürgermeister“, stellt einer aus der Kaffeerunde fest. Der 1.450-Seelen-Ort hat seine SPD verloren, unpolitisch wurde er nicht. Eine neue Partei hat sich gegründet, die Eddelaker Wählergemeinschaft (EWG), die bei der Kommunalwahl 2008 fast 70 Prozent der Stimmen erreichte. Ähnlich ist es in Ellerau, 70 Kilometer östlich im Kreis Segeberg: Dort zog die Wählergemeinschaft Aktives Ellerau an der CDU vorbei – im Herbst 2006 waren 32 der 61 Mitglieder des CDU-Ortsverbandes aus ihrer Partei ausgetreten.

Den Trend gab es landesweit. 2006 verloren beide Parteien im Bundesvergleich am stärksten in Schleswig-Holstein Mitglieder: 5,6 Prozent die Christdemokraten (derzeit 27.000 Mitglieder), 6,1 Prozent die Sozialdemokraten (derzeit 20.000 Mitglieder).

Der Grund für die Verluste in Eddelak und Ellerau: Ärger über die Landespolitik. Die schwarz-rote Regierung in Kiel, deren Legislaturperiode am 27. September mit einer vorgezogenen Neuwahl endet, hatte zeitweise mehr Krach mit ihrer jeweiligen Basis als mit dem Koalitionspartner. Besonders die Verwaltungs- und Kreisreform, eines der großen Projekte der Koalition, sorgte für Krawall.

Das Land wollte durch größere Verwaltungseinheiten Geld sparen. In den 70er-Jahren hat es hier zuletzt eine Kreisreform gegeben, die Zahl der Kreise sank von 17 auf elf plus vier kreisfreie Städte, die Zahl der Gemeinden blieb bei über 1.100. In den meisten leben weniger als 2.000 Einwohner, und in vielen regieren, wie jetzt in Eddelak und Ellerau, lokale Wählergemeinschaften.

In diese Strukturen wollte die schwarz-rote Landesregierung sanft eingreifen: Gemeinden in Ruhe lassen, Ämter vereinigen, Kreise zu Kooperationen bewegen. Im Koalitionsvertrag von 2005 ist von Dienstleistungszentren die Rede, die die Kreishäuser ersetzen könnten. Je nach Gutachten – und es gab einen wahren Krieg der Gutachter – könnten Verwaltungsreformen zwischen zwölf und 100 Millionen Euro einsparen, Jahr für Jahr. Für das Land, das kurz vor der Pleite steht, wäre jede dieser Summen ein Segen.

Doch die Schleswig-Holsteiner witterten Verrat. Besonders an der Nordseeküste liefen die Leute Sturm. Die Wut richtete sich gegen den SPD-Spitzenmann Ralf Stegner, damals Innenminister, aber auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen bekam sein Fett weg, weiß die Eddelaker Kaffeerunde: „Der hat sich ganz schön was anhören müssen“, sagt einer befriedigt. Denn Dithmarschen, das mussten die Kieler lernen, ist etwas Eigenes, ehemals Freie Bauernrepublik, bewährt in der Schlacht bei Hemmingstedt im Jahre 1500, als eine Bauernarmee die dänischen Truppen verprügelte. „Ja“, sagt einer in der Kaffeerunde. „Da zehrt man noch von.“

Neben historischem Stolz spielten aktuelle Eitelkeiten eine Rolle: Elf Kreise bedeuten elf Landräte, elf Kreisparlamente, elf Verwaltungssitze, plus vier stolze Bürgermeister und Stadträte der kreisfreien Städte und viel Widerstand. Im vergangenen Jahr beerdigte die große Koalition ihr Projekt. Der Landesrechnungshof stimmte zu: Eine kleine Reform könnte den Weg verbauen für eine spätere Regierung, die sich wieder an das Thema wagen könnte. Ob das in der kommenden Wahlperiode passiert, ist unklar. Die SPD spricht in ihrem Programm von einer „tiefgreifenden Reform“, CDU und FDP setzen auf freiwillige Lösungen, etwa, dass Kreise Aufgaben zusammenlegen.

Vom großen Wurf blieb nur, dass die Zahl der Ämter sank – das Land zahlte für freiwillige Zusammenschlüsse „Hochzeitsprämien“. In den Dörfern herrscht weiter Misstrauen gegenüber der Politik. So hängt in Eddelak kein Wahlplakat – der Gemeinderat hat allen Parteien verboten, Schilder aufzustellen.