heute in hamburg
: „Es geht auch mit viel weniger Verkehr“

Foto: privat

Karlheinz Rößler, 72, ist Verkehrsberater und war rund 20 Jahre lang in Bürgerinitiativen und Verbänden aktiv.

Interview Emmy Thume

taz: Herr Rößler, wieso sprechen Sie von einer staatlichen Förderung der Klimakatas­trophe?

Karlheinz Rößler: Weil alle Vorhaben, die ich im Vortrag behandle, Tunnel und Brücken, also große Infrastrukturprojekte, letzten Endes mit staatlichen Geldern gebaut werden.

Inwiefern sind Tunnelprojekte klimaschädlich?

Tunnel werden heute aus Stahlbeton gebaut. Beton, der mit Stahl armiert ist, um tragfähig zu sein. Sowohl der Beton als auch der Stahl sind hochgradig treibhausgasrelevant. Beton besteht zu großen Teilen aus Zement. Dieser kommt in der Natur nicht vor und muss in Werken gebrannt werden. Dabei entweicht Kohlenstoff.

Und was ist das Problem beim Stahl?

Stahl besteht aus Eisenerz, dem der Sauerstoff entzogen wird. Dies passiert in Hochöfen, die mit Kohle beheizt werden. Die Kohle entreißt dem Eisenerz Sauerstoff und verbindet sich zu Kohlendioxid. In beiden Fällen sind die Abfallprodukte Kohlendioxid und andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas, die noch klimarelevanter sind als CO2.

Wieso werden Tunnel nicht nach der alten Methode gebaut?

Weil es billiger und arbeitstechnisch einfacher ist. Früher waren Tunnel gemauert. Dafür brauchte man Hunderte von Leuten, die Ziegel- oder Natursteine heranschaffen. Heute ist es kostengünstiger, Stahlbeton zu verwenden. Das sieht man auch bei Gebäuden: Überall wird mit Stahlbeton gebaut, ohne Rücksicht auf das Klima.

Was sind Alternativen zum Neubau von Tunneln?

Wir haben zu viele Straßen und zu viel Verkehr. Verkehr bedeutet immer Umwelteingriffe, Landschaftsverbrauch und Energie – und die muss irgendwo herkommen. Selbst mit Windrädern gewonnene Energie gibt es nicht zum Nulltarif. Die Coronapandemie zeigt, dass es auch mit viel weniger Verkehr geht, ohne dass Welt und Wirtschaft zusammenbrechen.

Was wäre eine Alternative zum A-20-Tunnel an der Unterelbe?

Wenn man dort an der Unterelbe etwas tun will, kann man modernere Fähren einsetzen. Zwischen Wischhafen und Glückstadt braucht die Fähre 25 Minuten, könnte aber dreimal so schnell fahren. Und wenn die Fähren größer wären und anders beladen würden, könnte man Autos schneller über die Elbe befördern.

Online-Diskussion zur Klimabilanz von Verkehrsprojekten, ausgerichtet vom UmweltHaus am Schüberg, 19 Uhr. Anmeldungen unter schoenberger@haus-am-schueberg.de, ☎040 / 60 51 01 4.