Corona-Bekämpfung in Serbien: AstraZeneca satt

Belgrad hat soviel Impfstoff, dass sogar die Nachbarn bedient werden können. Besonders Präsident Aleksandar Vučić lässt sich dafür feiern.

Menschen szehen in einer Schlange vor einer Person im Schutzanzug

In Serbien flutscht es. Menschen warten in Belgrad auf ihre Corona-Impfung Foto: ap

BELGRAD taz | Kommt nach Belgrad und lasst euch umsonst gegen Sars-CoV-2 impfen. Die Aktion läuft nur, solange der Vorrat reicht. So lautete sinngemäß der Aufruf der serbischen Wirtschaftskammer an etwa 8.500 Geschäftsleute aus der Region, sich am vergangenen Wochenende in Serbien impfen zu lassen. Serbien habe Impfstoff in Hülle und Fülle und wolle es mit seinen Nachbarn teilen, hieß es. Außerdem laufe Anfang April das Verfallsdatum für rund 25.000 AstraZeneca-Impfdosen ab, sagte Ministerpräsidentin Ana Brnabić. Die Alternative sei, sie zu vernichten.

Die serbische Aktion sprach sich schnell auf dem Balkan herum. Nicht nur Geschäftsleute mit offizieller Einladung eilten nach Serbien, sondern viele, die diese Chance einfach nur nutzen wollten. So bildeten sich Staus an der serbischen Grenze zu Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina. Laut der zentralen elektronischen Anmeldestelle hatten sich über 22.000 ausländische Bürger für die Impfung in Serbien angemeldet. Doch selbst wer unangemeldet in den Impfzentren in Belgrad oder Niš erschien, wurde nicht abgewiesen.

Die Aktion war gutes staatliches Marketing, wie man es auf dem Balkan selten sieht. Bosnier, Mazedonier, Montenegriner, Albaner lobten vor laufenden Kameras die serbische Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und Organisation. Serbische und ausländische Medien berichteten bewundernd über diesen „Akt des Beistands und der Solidarität“. Es war ein glorreicher Augenblick für den starken Mann Serbiens, Präsident Aleksandar Vučić, dessen Regime im jüngsten Bericht des EU-Parlaments vorgeworfen wird, Rechtsstaatlichkeit, ja die Demokratie an sich nicht besonders ernst zu nehmen.

Großes Aufsehen erregten in rote Mäntel gekleidete Stewardessen aus Albanien, die in Belgrad die Vakzine bekamen. „Danke dir von Herzen, mein Belgrad, weil du es meiner Mutter und meiner Schwester ermöglicht hast, sich impfen zu lassen, und ihnen die Chance auf ein besseres Leben gegeben hast“, schrieb auf Twitter der ehemalige Kapitän der bosnischen Fußball-Na­tio­nalmannschaft Sergej Barbarez. Für einen Moment waren die unbeglichenen Kriegsrechnungen aus den 1990er Jahren vergessen.

Immer neue Rekorde

Tatsächlich ist die Coronalage in der Nachbarschaft Serbiens sogar noch schlechter als in Deutschland: Die Anzahl der Toten und Neuinfizierten bricht immer neue Rekorde, bedeutende Mengen an Impfstoff sind nicht in Sicht. Serbien, dessen Bürger sogar zwischen vier Impfstoffen wählen können, nutzte das für seine vaccine ­diplomacy aus. Schon früher hatte Belgrad für medizinisches Personal in den Nachbarstaaten Impfstoff gespendet.

Die westlich orientierten Westbalkanstaaten fühlen sich in der Pandemie von der EU im Stich gelassen. Und Serbien sieht sich in seiner in Brüssel viel kritisierten Außenpolitik des „­Sitzens auf vielen Stühlen“ bestätigt. Die Botschaft lautet: Ohne die brüderliche Unterstützung aus Russland und China wäre Serbien nicht führend bei der Massenimpfung, hätte nicht den Nachbarn unter die Arme greifen können, sondern die gleiche Impfpleite erlitten wie die EU und alle, die auf sie zählten.

Serbien hat jedoch ganz eigene Impfprobleme. Zwar haben rund 1 Million Serben schon die zweite, mehr als 1,4 Millionen die erste Dosis bekommen. An Impfstoff wird es auch weiterhin nicht mangeln. Doch von knapp unter 7 Millionen Serben haben sich bislang nur knapp über 1,5 Millionen für die Impfung angemeldet. Laut einer Umfrage will sich nur ein Drittel der Serben impfen lassen, ein Drittel will das unter keinen Umständen, und ein Drittel möchte noch abwarten.

Dabei gibt es in serbischen Kliniken fast kein freies Bett mehr. Immer mehr Junge erkranken an Covid-19, rund 40 Menschen sterben jeden Tag daran. Trotzdem wurden Lokale und Malls erst vor zwei Wochen geschlossen. Viel zu spät, meinen Kritiker.

Die Behörden hoffen, dass das Interesse an der Impfung bis Sommer steigt. Griechenland, touristisches Lieblingsland der Serben, öffnet im Mai seine Grenzen – aber nur für diejenigen, die eine Impfbestätigung haben. Die 80 Euro für einen PCR-Test, mit dem man reisen kann, sind für viele Ser­b*in­nen jedoch zu viel.

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