Ausbeutung von Feld­ar­bei­te­r*in­nen: Wettbewerbsvorteil durch Fairness

Die deutsche Landwirtschaft hat ein Ausbeutungsproblem. Gute Arbeitsbedingungen würden die Produkte nur centweise verteuern.

Feldarbeiter stehen zwischen Spargelanbau-Reihen

Ern­te­hel­fe­r*in­nen schuften unter problematischen Bedingungen (Archivbild) Foto: dpa / Silas Stein

Immer wieder beuten deutsche Land­wir­t*in­nen osteuropäische Ar­bei­te­r*in­nen aus. Manche Erntehelfer bekommen nur auf dem Papier den vorgeschriebenen Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde, sie werden beschimpft und herumgeschubst. Solche Vorwürfe erheben aktuell in der taz Rumänen gegen eine Baumschule. Gewerkschafter dokumentieren jedes Jahr eine ganze Reihe ähnlicher Fälle etwa auf Spargelhöfen.

Zwar lassen sich Verstöße zum Beispiel wegen fehlender Stundenzettel oft schwer nachweisen. Häufig wissen Arbeiter auch nicht, wie viel sie gemäß deutschen Gesetzen bekommen müssten. Aber die Regelmäßigkeit, mit der die immer gleichen Vorwürfe erhoben werden, zeigt: Die deutsche Landwirtschaft hat ein Ausbeutungsproblem.

Deshalb sollte der Staat den Betrieben vorschreiben, jedem Beschäftigten einen Arbeitsvertrag auszuhändigen. Und zwar in einer Sprache, die der Arbeiter auch versteht. Nötig ist auch eine transparente Zeiterfassung. Während der Coronapandemie müssen alle Alleinreisenden in Einzelzimmern untergebracht werden.

Saisonkräfte sozialversichern

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) kämpft aber lieber dafür, dass Landwirte ihre Saisonkräfte in diesem Jahr 115 und nicht nur wie sonst 70 Tage ohne reguläre Sozialversicherung beschäftigen dürfen. Klöckner begründet das mit dem Schutz vor Corona, denn dann würden Arbeiter wohl länger auf einem Hof bleiben, und es gäbe weniger Reisen.

Da ist Misstrauen angebracht: Wenn es Klöckner wirklich um den Infek­tions­schutz ginge, würde sie beispielsweise erst einmal eine Einzelzimmerpflicht durchsetzen. Wichtiger wird ihr sein, dass sich die Branche Beiträge etwa zur Krankenversicherung spart. Das schadet dem Gemeinwesen und auch manchen Arbeitern, deren Betriebe keine ausreichende private Krankenversicherung abschließen.

Die Mehrkosten für eine reguläre Sozialversicherung halten sich in Grenzen. Das Kilogramm Spargel etwa wäre Gewerkschaftern zufolge nur wenige Cent teurer. Statt weiter für Ausbeuter in ihren Reihen zu lobbyieren, sollten die deutschen Bauern alle Saisonkräfte sozialversichern, fair bezahlen und damit werben. Faire Arbeitsbedingungen, regionale Ware – das wären echte Wettbewerbsvorteile etwa gegenüber Konkurrenten aus Spanien.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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