Austellungskonzept für Garnisonkirche: Antidemokratischer Symbolort

Das Konzept zur Dauerausstellung im Turm der Potsdamer Garnisonkirche fällt sehr kritisch aus. Gegner fordern als Konsequenz den Wiederaufbau-Stopp.

Vor dem roten Turm der Garnisonkirche in Potsdam stehen ein Baugerüst und ein gelber Kran.

Umstritten: der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam, März 2021 Foto: Soeren Stache/DPA

BERLIN taz | Die Ausstellung in der Potsdamer Garnisonkirche wird deutlich differenzierter als erwartet. Das geht aus dem kürzlich vorgestellten Konzept hervor, das die unrühmliche Geschichte des Bauwerks historisch faktenbasiert und äußerst kritisch darstellt. Selbst das Kritiker-Netzwerk „Lernort Garnisonkirche“ nahm das Konzept positiv auf. Für sie erschließt sich aber nicht, warum die Stiftung dann die Kirche in der jetzt geplanten Form überhaupt weiterbaut.

In der Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Glaube, Macht und Militär“ soll in sieben Abschnitten unter anderem die Bedeutung der historischen Garnisonkirche als Symbolort des nationalistischen und demokratiefeindlichen Lagers der Weimarer Republik thematisiert werden. Dabei soll auch die Kontroverse um den Wiederaufbau eine Rolle spielen. Die Ausstellung soll zudem Grundlage für die Bildungsarbeit der Stiftung sein.

Die Bauarbeiten am Turm haben 2017 begonnen. Die Ausstellung soll nach der geplanten Fertigstellung des Kirchturms Ende 2022 auf einer Fläche von 250 Quadratmetern in der vierten Etage eröffnet werden. Für die Kosten in Höhe von gut einer Million Euro seien Mittel beim Staatsministerium für Kultur und Medien sowie beim Verteidigungsministerium beantragt worden, sagte Kuratorin Maria Schultz. Ziel der geplanten Dauerausstellung und der Bildungsarbeit insbesondere mit jungen Menschen sei es, in dem wiederaufgebauten Kirchturm einen „demokratie-, menschenrechts- und friedensorientierten Lern- und Bildungsort zu schaffen“.

Unterdessen wird das 2019 abgeschaltete, umstrittene Glockenspiel auf einer Grünfläche neben der Baustelle der Garnisonkirche erneut zum Thema für die Stadtpolitik. Das Potsdamer Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) hat nämlich ein vom Rathaus in Auftrag gegebenes Gutachten vorgelegt. Darin sprechen sich die Forscher gegen das von den Grünen und Linken geforderte Einschmelzen der Glocken aus. Das Geläut stehe exemplarisch für zeithistorische Entwicklungen. Man könnte daran zum Beispiel eine Geschichte über das „militärhistorische wie geschichtskulturelle Wirken der Veteranen- und Vertriebenenverbände in der alten Bundesrepublik aufbereiten“. Nun müssten die Stadtverordneten beraten. Der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Garnisonkirche hatte bereits im vergangenen Jahr erklärt, das Carillon sei maximal noch als Museumsstück zu gebrauchen, es sei „aus heutiger Sicht historisch-politisch unzumutbar“. Das Glockenspiel war der Stadt 1991 von dem rechtskonservativen Ex-Bundeswehroberstleutnant Max Klaar geschenkt worden. Auf einer der Glocken ist der lateinische Spruch „Suum cuique“ graviert, auf Deutsch „Jedem das Seine“. Diese Losung findet sich auch am Haupttor des Konzentrationslagers Buchenwald. (mar)

Im 29-seitigen Konzept liest man Sätze, die man von der Stiftung so früher nicht kannte. Zum Kontext des Kirchenbaus im 18. Jahrhundert ist von der „monarchisch forcierten Verknüpfung von preußischem Militär und protestantischer Kirche“ die Rede. „Für das demokratische Preußen nach 1918 stand die Garnisonkirche gerade nicht“, heißt es im Konzept. Stattdessen soll die Ausstellung erläutern, wie sie als antidemokratischer Symbolort für politische Kundgebungen und Bindeglied zwischen dem nationalistischen, republikfeindlichen Lager und der Reichswehr diente.

Keine Keimzelle des Widerstands

Und natürlich soll auch der „Tag von Potsdam“ – als am 21. März 1933 Reichspräsident Paul von Hindenburg dem neuen Reichskanzler Adolf Hitler vor der Kirche die Hand reichte – und dessen Bedeutung auf dem Weg zur Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur beleuchtet werden. Außerdem wird mit einer Legende aufgeräumt, die Wiederaufbaubefürworter gern als Rechtfertigung des Projekts nutzten: „Die Garnisonkirche war keine Keimzelle des Widerstands gegen den Nationalsozialismus“, stellt das Konzept klar.

Mit dem Ausstellungskonzept vollziehe die Stiftung „eine grundlegende Änderung ihres Geschichtsbildes“, heißt es denn auch vom Lernort-Netzwerk: „Darstellungen, für die Kritiker des Wiederaufbauprojektes bislang des Kirchenhasses, der Tatsachenverdrehung und als Ulbrichts Enkel bezichtigt wurden, macht sich die Stiftung nunmehr selbst zu eigen.“

Allerdings bemängeln die Kritiker fehlende Konsequenzen aus dem historischen Befund. Das kritische Geschichtsbild müsse sich auch in der Turmgestaltung niederschlagen, forderte das Netzwerk „Lernort Garnisonkirche“. Es sei inakzeptabel, dass im 21. Jahrhundert das „Bildprogramm des preußischen Nationalprotestantismus ungebrochen nachgebildet“ werde. Die Ausstellung dürfe kein „Feigenblatt“ dafür werden. Auf Kirchturmhaube und militärischen Bauschmuck sollte verzichtet werden.

Turm Der im Krieg schwer zerstörte Turm war auf Anweisung der DDR-Führung 1968 gesprengt worden. Im Sommer 2017 übernahm Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft über den Wiederaufbau.

Stiftung Im Kuratorium der Stiftung sitzen Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), die Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche und ehemalige Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer, als Vorsitzender Altbischof Wolfgang Huber.

Spender Für den Wiederaufbau hat etwa der TV-Moderator und Wahl-Potsdamer Günther Jauch 1,5 Millionen Euro springen lassen. (mar)

Mit dem neuen Konzept habe die Stiftung „zumindest auf den ersten Blick neue Software installiert“, erklärte die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“. „Die Hardware bleibt leider die gleiche.“ Die unveränderte Selbstverständlichkeit des Turmbaus lasse Zweifel an der Glaubwürdigkeit des „Sinneswandels“ aufkommen. Wenn die eigene Ausstellung ernstgenommen werde, müsse der Bau sofort abgebrochen werden: „Jeder weitere Höhenmeter beim Turmbau macht die Konzeption unglaubwürdiger“, heißt es von der Initiative.

Besser als ein moderner Glaskasten?

Laut Betriebs- und Nutzungskonzept für das Bauwerk soll die Ausstellung eine Etage im vierstöckigen Sockelbereich des rund 88 Mehr hohen Turms einnehmen. Mit Seminarräumen und Mediathek in anderen Etagen kommt man auf etwa die Hälfte der Gesamtfläche des Turms. Der Rest wird von der Kapelle, dem Foyer, einem Café, Büros und Sanitärräumen eingenommen. Wem die Auseinandersetzung mit der Geschichte zu beschwerlich ist, der kann die Aussichtsplattform in 57 Metern Höhe mit dem Aufzug direkt erreichen.

Der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung, Paul Nolte, rechtfertigt die Rekonstruktion des Turms. „Die Spannungen und die Last der Geschichte werden in der historisch rekonstruierten Hülle deutlicher als in einem modernen Glaskasten“, meint er.

Bisher stecken insgesamt 24,75 Millionen Euro aus Bundesmitteln in dem Wiederaufbauprojekt – also rund 100.000 Euro Steuergeld pro Quadratmeter Ausstellungsfläche. Das Geld fließt in die sogenannte Grundvariante des Turms – also ohne Schmuckelemente, Trophäen, Glocken oder Ähnliches. „Dafür waren zuletzt Stand 36 Millionen Euro veranschlagt“, hatte die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Ende vergangenen Jahres mitgeteilt. Der Turmbau sollte ursprünglich mal aus Spenden finanziert werden, nun wird also überwiegend mit Steuergeld gebaut. Die Millionen-Förderung für das „national bedeutsame Bauwerk“ wird inzwischen vom Bundesrechnungshof geprüft.

Eingefleischte Fans des barocken Sakralbaus lassen sich indes weder von der militaristischen und nationalsozialistischen Vergangenheit noch der wackeligen Finanzierung irritieren. Die Bürgerinitiative „Mitteschön“, die den historisierenden Umbau der Potsdamer Innenstadt propagiert, hat größere Ideen: Sie fordert, neben dem Turm auch das Kirchenschiff wieder aufzubauen – für weitere 60 Millionen Euro. Zahlen soll die öffentliche Hand.

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