Gemeinsame Impfstoff-Strategie vor Aus: Sputnik V spaltet EU

Der russische Impfstoff Sputnik V gehört nicht zum EU-Portfolio. Berlin will ihn nun selbstständig einkaufen – und lässt Brüssel isoliert dastehen.

Spritze und Sputnik V Impfstoff-Ampullen auf EU Symbol

Die Bundesregierung will den russischen Impfstoff Sputnik V beschaffen – die EU lehnt dies ab Foto: Dado Ruvic/reuters

BRÜSSEL taz | Berlin und Brüssel gehen bei der Impfstoff-Strategie künftig getrennte Wege. Während die Bundesregierung den umstrittenen russischen Impfstoff Sputnik V beschaffen will, lehnt die EU-Kommission dies weiter ab. Man habe sich deshalb zu einem Alleingang entschlossen, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag.

Bislang hatte die EU die Beschaffung übernommen, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (beide CDU) im Sommer 2020 vereinbart hatten. Doch angesichts der anhaltenden Lieferprobleme bei den gemeinsam bestellten Vakzinen will Berlin nun ausscheren. Auch Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Österreich wollen sich nicht mehr an die Absprachen auf EU-Ebene halten. Von einem Ende der gemeinsamen Strategie könne dennoch keine Rede sein, sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Es stehe jedem frei, neben den gemeinsam beschafften Impfstoffen noch weiter einzukaufen.

„Sputnik ist nicht Teil unseres Portfolios“, so der Sprecher. Gegen die Verwendung des russischen Präparats hat sich vor allem der französische EU-Kommissar Thierry Breton ausgesprochen. Auch ohne werde es bis Ende Juni genügend Dosen geben, um etwa 70 Prozent der Erwachsenen in der EU zu impfen.

Dem widerspricht der Europaabgeordnete Peter Liese (CDU). „Die EU-Kommission muss sofort konkrete Verhandlungen über die Lieferung des russischen Impfstoffs Sputnik aufnehmen“, sagte der Gesundheitspolitiker. Nach einer erfolgreichen Prüfung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA stehe einer Zulassung nichts im Wege.

Wodka schlägt Sputnik

„Es macht keinen Sinn, aus Russland Öl, Gas und Wodka zu importieren, aber einen von der EMA für gut befundenen Impfstoff nicht“, so Liese weiter. Allerdings sei es nicht gut, wenn einzelne Länder oder Regionen wie Deutschland oder Bayern vorpreschen. Deshalb solle sich die EU-Kommission beteiligen.

Streit gibt es auch über den Umgang mit AstraZeneca. Bei einer eilig einberufenen Videokonferenz konnten sich die EU-Gesundheitsminister am Mittwochabend nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, bei welchen Altersgruppen das Vakzin eingesetzt wird.

In Deutschland gilt nach einigem Hin und her inzwischen ein Mindestalter von 60 Jahren. Die EMA-Experten haben AstraZeneca nach erneuter Prüfung am Mittwoch allerdings uneingeschränkt empfohlen – ohne Altersbeschränkungen.

Das Mittel sei ein wichtiger Baustein im Kampf gegen die Pandemie, betonte EMA-Chefin Emer Cooke. Das Risiko, an Covid-19 zu Tode zu kommen, sei deutlich höher als das Risiko, an Nebenwirkungen zu sterben. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides konnte sich mit ihrer Forderung für ein einheitliches Vorgehen nicht durchsetzen.

So steht die Brüsseler Behörde zunehmend isoliert da. Eine gemeinsame Strategie existiert nur noch auf dem Papier.

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