Zum Tod von Hans Küng: Ein Katholik der Zukunft

Küng, ein Monument der Religion, war ein friedlicher und kämpferischer Mann. Er starb, vom Vatikan nie rehabilitiert, im Alter von 93 Jahren.

Porträtaufnahme von Küng

Der Theologe und Priester Hans Küng ist am Dienstag in Tübingen gestorben Foto: imago

Der Tod hat ihn nicht erschreckt, sagte er uns, als wir ihn vor elf Jahren in Tübingen, seiner wichtigsten Heimat, besuchten. „Ich weiß, dass man nicht beweisen kann, was jenseits des Todes ist, da bin ich kantianisch: Jenseits von Raum und Zeit ist die reine Vernunft nicht zuständig. Ich habe zwar keine Beweise, aber sehr wohl gute Gründe, warum ich der Überzeugung bin, dass mein Leben nicht einfach ins Nichts geht, wie auch der Kosmos nicht aus dem Nichts kommen kann. Sondern dass ich in eine erste-letzte Wirklichkeit hineinsterbe, die wir Gott nennen.“

Hans Küng hatten wir uns als friedlichen, auch kämpferischen Mann vorzustellen, und so erkannten wir ihn auch, damals und auch heute, wie es aus seinen letzten Tagen überliefert wird. Freundlich, das auch, vor allem aber aussagekräftig, entschieden und auf unerklärliche Weise altersaufmüpfig. Immer noch schmerzte ihn das für ihn größte Missverständnis seines Lebens, und das war der Entzug der Lehrerlaubnis als katholischer Theologe an der Universität Tübingen.

Aber hatte er ernsthaft Gründe, an dem päpstlichen Verdikt gegen ihn zu zweifeln? Küng, 1928 in Sursee, Kanton Luzern, in der Schweiz geboren, war einer der Stars der 68er-Ära, ein Reformator seiner Kirche und ihrer Glaubensgrundsätze. Theologisch im Katholizismus in jeder Hinsicht versiert, versiert in allen Debattenlagen, die in seinem religiösen Glaubenssystem eine Rolle spielten.

Der Papst ein Unfehlbarer? War doch nicht immer so, sagte Küng. Zölibat, das Verbot für Priester, ihre Sexualität zu leben und selbst dies in einer Ehe? Ist biblisch nicht gedeckt, dass das so sein muss. Homosexuelle zu diskreditieren, fundamental? Auch nur eine ins Heutige im muffigen Zustand gerettete schlechte Auffassung aus ganz alten Tagen. Küng legte sich, am Ende des Tages, eigentlich mit allem und allen an, die einem vatikanischen Dogmatismus anhingen, also denjenigen, die das Weltliche für das Gottvorstellbare hielten.

Eine gewisse rote Linie

Küng schrieb über seine theologischen Exkursionen viele Bücher, war einer der tonangebenden Intellektuellen im deutschsprachigen Bereich, fragte: „Existiert Gott?“, als Reaktion auf den Entzug seiner Lehrbefugnis durch den polnischen Papst Karol Woytila, Johannes Paul II., im Jahr 1979, ein Jahr nach seiner Wahl zum Statthalter Gottes auf Erden.

Woytila und mit ihm andere Kirchenreformgegner räumten auf mit dem aufbrüchigen Geist im Katholizismus seit den frühen 60er Jahren – und an Küng ein Exempel zu statuieren war ein Zeichen, das global verstanden werden konnte: Der Tübinger hatte offenbar mit der Infragestellung der vatikanischen Diktate einen Schritt über gewisse rote Linien hinaus getan.

Und doch – oder vielleicht: deshalb – blieb Küng stets seiner Kirche treu: ein Mann, der theologisch vielleicht Skizzen dessen formulierte, wie ein Katholizismus der semikorrupten Apparate, der sexuellen Gewalt („Missbrauch“) und seiner Begünstigung durch die bischöflichen Institutionen und der religiösen Unglaubwürdigkeit schlechthin entrinnen könnte. Küng mochte nie ein Rebell sein, einer, der aus Prinzip wider den Stachel löckt.

Ihm lag nah, was als jesuanisches Heil verstanden werden kann: ein besserer Katholizismus, nicht seine Zerstörung. „Ich werde mich doch auch nicht aufdrängen und sagen: Ich will unbedingt dieses oder jenes werden in der Kirche. Und ich habe bisher alles vermieden, um durch meine Theologie eine Kirchenspaltung zu provozieren. Es war mir stets Verpflichtung, kein Spalter zu werden. Sonst hätte ich es ja machen können wie Marcel Lefebvre, der Gründer der reaktionären Pius-Brüder. Ich finde, wenn ein Individuum oder eine Gruppe sich zum Ganzen machen oder das Ganze dominieren will, entspricht das nicht dem christlichen Kirchenverständnis.“

In den vergangenen Dekaden kümmerte er sich um Dinge, die weit über Tübingen hinaus wiesen, etwa mit der von ihm gegründeten Stiftung Weltethos, dem tapferen Versuch, so etwas wie eine globale Ethik für alle Religionen zu formulieren – und im früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan fand er für dieses Projekt seinen engsten Fellow und Freund.

Küng bedauerte jüngstens, dass er nie rehabilitiert wurde. Er starb in seiner schwäbischen Heimat, die so nah seiner Schweiz war, am Dienstag, 6. April.

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