wortwechsel
: Kanzlerin, Polizei und Meinungsvielfalt

Merkel-Bashing bringt nichts, fährt die Polizei andere Strategie bei bürgerlichen „Anti-Corona“-Demos als bei linken Protesten? taz fehlt Offenheit gegenüber Meinungsvielfalt

Entschuldigung, Ostern findet statt Foto: Stefanie Loos/dpa

Hallo Mädels

„Papa und das Sternchen“,

taz vom 19. 3. 21

Ich habe die Formulierung „Mädels“, als offen schwul-lebender Mann, stets als Befreiung vom geschlechtsbezogenen „Rumgeeiere“ erlebt und bin froh, dass diese nonchalante Souveränität auch heute noch besteht, um vermeintlich geschlechtsspezifischem Verhalten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich gendere explizit nicht und schließe mich ausdrücklich der Sichtweise von Wolfgang Thierse an. Die teilweise ausufernde, indoktrinierende und jakobinerhafte Verfolgungsjagd ist desaströs, diktatorisch in ihrer Attitüde.

Frank Bettges-Roca, Berlin

Flotter Titel

„Coronaleugner stirbt an Corona“,

taz vom 19. 3. 21

Sensationsjournalismus – dieser Aufmacher dürfte so nicht in der taz stehen!

Es ist zwar vermutlich richtig, dass der tansanische Präsident und Coronaleugner an Corona oder mit Corona verstorben ist. Aber nur vermutlich. Schon vor der Todesmitteilung kursierten Nachrichten und Gerüchte in verschiedenen Medien über das Verschwinden von Magufuli aus der Öffentlichkeit. Aber keine verlässliche Quelle existierte, da die offizielle Seite absolutes Stillschweigen bewahrt. Das ist auch unverändert nach seinem Tod so und auch Ilona Eveleens beruft sich in ihrem Artikel auf alle möglichen unbelegten Sekundärquellen und Gerüchte. Der Titel suggeriert hingegen ein belegtes Ereignis. Das natürlich sensationell klingt, aber in dem Beitrag so nicht mit sicheren Quellen nachvollziehbar wird. Flotte Titel sind gut. Aber nur, wenn der Inhalt dann auch stimmt.

Elisabeth Steinle-Paul, Stuttgart

Wie im Sandkasten

Merkel culpa “,

taz vom 25. 3. 21

In den letzten Jahren haben Politikerinnen und Politiker sich häufig für Dinge entschuldigt, die sie getan oder auch nicht getan haben.

Ich stelle hier für mich ein für alle Mal fest: Bei mir braucht sich niemand für seine Politik zu entschuldigen. Auch nicht die Bundeskanzlerin. Ich bin nicht persönlich verletzt. Es reicht mir vollkommen, dass man einen Fehler eingesteht und ihn korrigiert, wenn es geht. Wir sind keine kleinen Kinder, die sich für den Schlag mit der Schaufel entschuldigen sollen, damit wir in Zukunft im Sandkasten wieder friedlich miteinander auskommen.

Jürgen Karwelat, Berlin

Als Seelsorger versagt

„Persilschein für Woelki“,

taz vom 19. 3. 21

„Diesen Tag habe ich herbeigesehnt, aber auch gefürchtet.“ Diese beiden einleitenden Sätze von Woelki sagen mehr aus als tausend Worte und Ausführungen. In ihnen zeigt sich das ganze sentimentale Selbstmitleid der Täter. Die Überhöhung und Verhaftung im „Ich“, auch jetzt in dieser zögerlichen Aufarbeitung. Es zeigt das ganze Ausmaß, auf dessen Hintergrund diese Taten immer wieder passieren. Und verweigert den tatsächlichen Opfern damit zum wiederholten Mal die ehrliche Anteilnahme und Anerkennung ihres Leids. Im Gegenteil, es ist Teil und Fortsetzung des Missbrauchs. Ich habe jede Achtung vor diesen sogenannten „Würdeträgern“ verloren, die auch jetzt nicht in der Lage sind, das „Du“ der Opfer überhaupt wahrzunehmen zu wollen. Von einem würdevollen Umgang ganz zu schweigen. Es ist an der Zeit, dass all diese Männer endlich von der Bühne abtreten. Auch Woelki – von Rechts wegen mag er nicht schuldig sein, jedoch hat er als Mensch und Seelsorger! versagt.

Dorit Milkau, Albstadt

Strategie?

„Kontrolle verloren“,

taz vom 23. 3. 21

Ich vergleiche die Strategie der Polizei bei ihrer Vorgehensweise gegen zum Teil nicht genehmigte Demonstrationen immer mit der bei den genehmigten G20- Demonstrationen in Hamburg.

Damals wurde von der Polizei bereits alles gefilmt. Das Material wurde rücksichtslos und ausnahmslos gegen die linken Protestierenden verwendet. Bei der Demo selber wurden Demonstranten gnadenlos und ohne Vorwarnung niedergeknüppelt, alle Teilnehmer wurden in Mithaftung gesetzt, und es wurden wahllos Beteiligte eingesperrt. Und jetzt, bei den „Anti-Corona“-Demos? Warum wird nicht dasselbe Szenario gegen diese „bürgerlichen“ Demonstranten eingesetzt, die sich rücksichtslos ihren Mitmenschen gegenüber verhalten?

Rainer Hummel, Köln

Meinungsvielfalt

„Kontrolle verloren“,

taz vom 23. 3. 21

Es gibt sehr viele Menschen, die die Ge­fähr­lichkeit des Coronavirus nicht leugnen und dennoch den aktuellen politischen Umgang damit falsch finden. Menschen, die zu anderen Abwägungsergebnissen als die Bundesregierung kommen, indem sie den gesamtgesellschaftlichen Schaden (insbesondere für die Gesundheit der jungen Generation) durch die Coronamaßnahmen in ihre Betrachtung einbeziehen, sind nicht nur Verschwörungstheoretiker, Rechtsradikale oder Antisemiten. Sie sind schlicht anderer Meinung. Einer Zeitung, die sich Vielfalt auf die Fahnen schreibt, sollte dieses Phänomen vertraut sein. Derartige Feindbildberichte und Kampfbegriffe führen zu Frustration und Wut auf der einen, Ablehnung und Unverständnis auf der anderen Seite. Wie wäre es mit inhaltlichem Diskurs?

Yvonne Ernst, Tübingen

Missmanagement

„So läuft der Hase“,

taz vom 23. 3. 21

Man kann Angela Merkel sicherlich vieles vorwerfen, sie trefflich kritisieren, auch in der Pandemie. Vor allem, dass sie das Gesundheitsministerium in Person von Jens Spahn seit Monaten schalten, walten und versagen lässt. Den Gesundheitsminister, ohne dessen Katastrophenmanagement wir heute gar nicht erst in der Situation wären, über Maßnahmen wie Supermarktschließungen diskutieren zu müssen. Der durch miserables Management der Test- und Impfstrategie Hauptverantwortlicher dafür ist, dass wir der dritten Welle, die man ganz ohne Fernrohr mit voller Wucht auf uns zurasen sieht, in keiner Weise gewappnet sind.

Das Kind ist in den Brunnen gefallen, beim Versuch, es festzuhalten, ist man kläglich gescheitert. Das ist zu kritisieren. Falsch sind auch die Forderungen, Merkel solle die Vertrauensfrage stellen. Das Letzte, was wir zusätzlich zur schon bestehenden Krise gebrauchen können, ist eine politische Krise, deren Ausmaße man sich nicht ausmalen möchte, sollte Merkel tatsächlich an der Vertrauensfrage scheitern. Ganz abgesehen davon, dass wir uns alle seit Jahren mit vollem Engagement darüber echauffieren, Po­li­ti­ke­r*in­nen würden nicht zu ihren Entscheidungen stehen, keine Verantwortung übernehmen.

Elias Hamann, Heppenheim

Impfpass

„Nur mit Mindeststandards“,

taz vom 17. 3. 21

Die EU-Verlautbarungen zum Impfpass können nicht anders als wolkig sein, sind doch das Ziel Lockerungen und Reisen vor dem Ende der Pandemie. Die Disziplin, noch 3–4 Monate durchzuhalten, diese Kraft bringen wir nicht auf, obwohl die anlaufende 3. Coronawelle spätestens beim Durchimpfen gebrochen sein wird. Doch wir nehmen uns schon vorher das Recht, unseren Wohlstand zu leben. Haben wir das? Das ist der denkbar ungünstigste Ausgang für die Bewältigung der angelaufenen Klimakrise. Die erforderliche krasse Reduktion der CO2-Emissionen wird Einschränkungen nach sich ziehen, die zu tragen wir nicht in der Lage scheinen. Diese Einsicht ist deprimierend bis hoffnungslos. Klaus Warzecha, Wiesbaden