Künstlerin über unsichtbare Kräfte: „Einflüsse, die man nicht sieht“

Die Hamburger Künstlerin Sabine Mohr hat ein Schattentheater gebaut, das an Platons „Urkörper“ erinnert. Es spielt mit Illusionen in All und Alltag.

Sich drehende Würfel und Pyramiden mit Schatten

Spiel mit dem Unverstandenen: Sabine Mohrs Schattenspiel Foto: Privat

taz: Frau Mohr, warum haben Sie Ihre neue Arbeit „Der unsichtbare Begleiter oder die Unbekannte“ genannt?

Sabine Mohr: „Unsichtbare Begleiter“ sind Kräfte oder Körper, die andere – sei es im Universum, sei es in unserem Alltag – so beeinflussen, dass wir deren Bewegung nicht mehr nachvollziehen können. Im All könnten das Schwarze Löcher sein, deren hoch verdichtete Masse andere Gestirne qua Gravitation anzieht und aus ihrer Bahn wirft. Es geht um Einflüsse, die man nicht sieht und nicht vorausberechnen kann.

Worauf bezieht sich Ihre Installation konkret?

Dazu muss ich den zweiten Bezugspunkt erklären, das „Höhlengleichnis“des antiken griechischen Philosophen Platon, in dem es um Erkenntnis geht. Darin sitzen Menschen in einer Höhle – mit dem Rücken zur Außenwelt, die sie hören, von der sie aber nur Schatten an der Höhlenwand sehen – sowie die Gegenstände, die die Menschen dort tragen. Was ich daran merkwürdig fand: Platon hat an anderer Stelle die fünf Prototypen symmetrischer Körper – Pyramide, Würfel, Oktaeder etc. – benannt und als „wahre Wirklichkeit“ bezeichnet. Wenn die seine Höhlenbewohner die Schatten dieser platonischen Körper gesehen hätten: Hätten sie dann die Möglichkeit gehabt, zur Erkenntnis zu kommen?

Sabine Mohr

Jg. 1956, lebt und arbeite als freie Künstlerin im Hamburger Künstlerhaus FRISE

Wie manifestieren sich diese Überlegungen in Ihrer Arbeit?

Ich habe die platonischen Körper nachgebaut und mit kleinen Stäben auf rotierende Scheiben gespießt. Die durchsichtigen Körper, von denen also man nur die Kanten sieht, drehen sich langsam auf den Scheiben. Ihre Schatten überschneiden sich, scheinen sich mal zu bedrängen, zu beschleunigen, mal zu Fall zu bringen, zeigen sich aus immer neuen Winkeln. Wenn man nur die Bewegung der Schatten sieht, versteht man diese Wechsel von Tempo und Perspektive nicht. Das begreift man nur, wenn man auf die Ursachen schaut: die Körper und die Rotationskräfte, die auf sie einwirken.

Hat Ihre Arbeit auch einen aktuelle Dimension?

Sabine Mohrs Installation „Der unsichtbare Begeleier oder die Unbekannte“ ist bis 23.4. im Hamburger „Einstellungsraum e.V.“ zu sehen. www.einstellungsraum.de

Ja. Auch Corona ist derzeit unser „unsichtbarer Begleiter“, der unseren Lebensrhythmus aus der Bahn geworfen hat. Und noch etwas ist bemerkenswert: Wir bekommen in den Nachrichten ja oft das Corona-Modell gezeigt, eine Art stacheliger Kugel. Diese Form sieht den platonischen Urkörpern recht ähnlich. Der US-amerikanische Physik-Nobelpreistträger und Autor Frank Wilczek schreibt, Viren hätten eine gewisse Ähnlichkeit mit Grund- und Urformen. Vielleicht war Platon mit seinen Elementarbausteinen der Natur gar nicht so weit davon entfernt.

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