heute in bremen
: „Aber wenn man betroffen ist, spürt man das“

Foto: privat

Virginie Kamche

56, Fachpromotorin für Migration, Diaspora und Entwicklung beim Afrika Netzwerk Bremen e.V.

Interview Lukas Scharfenberger

taz: Frau Kamche, die Friedrich Ebert Stiftung hat Sie zum Podcast geladen. Was wollen Sie dort unbedingt erzählen?

Virgine Kamche: Es geht um den Umgang mit dem kolonialen Erbe in Bremen, um unsere Arbeit im Afrika Netzwerk Bremen und unser Engagement gegen Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus. Ich wurde in meinem Leben häufig selber diskriminiert, daher mache ich diese Arbeit.

Was hat Bremen für einen besonderen Bezug zum kolonialen Erbe?

Bremen spielte als Handelsstadt eine wichtige Rolle in der deutschen Kolonialherrschaft, dementsprechend trägt die Stadt eine Verantwortung zur Aufarbeitung. Noch heute sind in Bremen viele koloniale Orte zu sehen. Im Überseemuseum lagern beispielsweise immer noch viele Objekte die in der Kolonialzeit nach Deutschland gebracht worden sind. Diese Objekte wurden geklaut, gekauft oder verschenkt. Ich setze mich dafür ein, dass man auf Augenhöhe mit den Nachfahren von denjenigen spricht, denen die Objekte früher gehörten. Wichtig ist bei der Debatte einfach, dass mit den Betroffenen gesprochen wird. Beispielsweise sind Kamerun und Togo zwei ehemalige deutsche Kolonien. Es wäre schön wenn Deutschland unter anderem mit diesen Ländern wirtschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe aufbaut. So könnten alle voneinander lernen.

Wo erleben Sie strukturellen Rassismus?

Strukturellen Rassismus erfährt man in der Bildung, in der Arbeitswelt oder bei der Wohnungssuche. Wenn Menschen mit dunkler Haut einen Vermieter treffen, haben sie oft keine Chance. Es heißt dann die Wohnung sei schon vergeben, obwohl das gar nicht stimmt. In der Schule werden Kinder manchmal anders behandelt, weil sie anders aussehen. Für Kinder ist das wirklich schwierig. Die Lehrer sagen oft, das haben sie nicht so gemeint, aber wenn man betroffen ist, dann spürt man das. Am schlimmsten finde ich, dass das auch Kinder betrifft, die hier geboren wurden. Trotzdem werden sie anders gelesen, das finde ich unmöglich und unverständlich.

Sie sagen, Sie wollen einen Dialog über die Grenzen der Gesellschaft hinweg initiieren, was ist damit gemeint?

Podcast „Flaschenpost“ von der Friedrich Ebert Stiftung zu Bremens kolonialem Erbe, mit Virginie Kamche, abrufbar überall wo‘s Podcasts gibt oder unter https://www.fes.de/julius-leber-forum/podcasts

Alltagsrassismus ist so subtil, dass derjenige der das macht, sich dessen nicht bewusst ist. Man bekommt häufig zu hören ’nehmen Sie sich das nicht zu Herzen’, aber man nimmt es sich zu Herzen, weil es verletzend ist. Diese Diskriminierung beruht auf Unwissenheit, ich sehe meine Aufgabe darin, die Leute aufzuklären. Man muss einen Dialog führen, dann kann man Vorurteile beseitigen und das Verständnis verbessern.

Was muss noch getan werden, damit Schwarze Menschen in Deutschland besser repräsentiert werden?

Es sollte mehr Schwarze Vorbilder überall geben. Obwohl hier Leute schon seit 30 oder sogar mehr als 50 Jahren leben und hier studiert haben, gibt es in der Öffentlichkeit immer noch so wenige Menschen mit Schwarzer Haut. In der taz bestimmt auch nicht. Es wäre sehr wünschenswert, wenn diese in allen Bereichen – auch in Leitungspositionen – sichtbar werden könnten.