Schwanger in vielen Zimmern: Was glauben Sie, was da drin ist?

Zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen sind in der Schwangerschaft nochmal besonders unangenehm. Zeit für eine Klarstellung.

Eine Frau zeigt auf ihren Schwangerschaftsbauch

Was ist da wohl drin – ein Überraschungsei? Foto: Yann Poirier/imago

Zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen sind immer anstrengend, aber wenn man schwanger ist, gehen sie oft auch noch sehr nah. Hormone und so. Man verliert nicht nur ständig den Faden und überlegt, was man gerade tun wollte – nein, manchmal heult man auch schneller und öfter und überhaupt können die Emotionen an manchen Tagen üppiger ausfallen. Wobei, ich habe Glück, die Schwangerschaftshormone beeinflussen mein Wesen nicht so stark – meine Familie fragt hier ja keiner.

Also – wo war ich – ach ja: zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen. In meiner Beobachtung gibt es zwei Arten von Schwangeren: Die einen, die in ihrem Körper auf magische Weise genug Platz machen können für ihr Kind und die auch im letzten Trimester noch ein wohlgeformtes Bäuchlein vor sich hertragen, das ihnen erlaubt, immer noch in ihren eigenen Klamotten rumzulaufen oder Geeignetes in jedem Laden zu finden.

Wenn ihr Körper eine Wohnung wäre, könnte man sagen, sie haben eine Ecke für jemanden freigeräumt, vielleicht ein kleines Zimmer. Das sind gemeinhin die Schwangeren, die wir in Prospekten sehen, in Film und Fernsehen. Die dann von Leuten genervt werden, wieso ihr Bauch „so klein“ sei.

Und dann gibt es die anderen Schwangeren, zu denen auch ich gehöre. Die, deren Körper kein Zimmer frei hat, weil er alle selbst belegt. Weshalb hier gnadenlos drangebaut wird. Aber nicht so viktorianischer Wintergarten – eher so dreistöckig mit privatem Eingang. Garage. Und beheizbarem Außenpool. Die, denen schon im 7. Monat die Umstandshose zu eng wird. Lang lebe die Umstandsjogginghose, die sich stetig ausdehnt wie ein eigenes kleines Universum.

Ein Überraschungsei?

Alles gut, solange man nur zoomt und das Haus nicht verlässt. Aber ab und zu trifft man ja auch während einer Pandemie Leute auf der Straße, die man kennt und die einem dann auf die Dehnungslöcher zwischen den Knöpfen des Mantels starren. Manchmal teilt man sich der erweiterten Familie auch per Video oder Foto mit. Und dann kommt es: „Boah!“ „Du bist ja schon dick.“ „Wie viele Kinder sind da drin, höhöhö?“ „Wow, das Kind muss ja spätestens morgen kommen, sonst platzt du doch.“

Letztens hab ich tatsächlich angefangen zu heulen nach so einem Satz. Nicht so sehr weil es mich traurig gemacht hat, sondern weil ich stinkwütend wurde. Was denken die Leute denn, was da drin ist im achten oder neunten Monat? Ein Überraschungsei, in dem ein bis zum Geburtstermin klein zusammengefaltetes Kind ruht, dass sich dann spontan selbst aufbläst?

Nein, Mann! Hier sind im neunten Monat 45cm 3-Kilo-Kind drin. Dazu ein Kilo Gebärmutter, etwa 700 Gramm Plazenta, und ein Kilo Fruchtwasser. Und da reden wir noch gar nicht über das zusätzliche Blut, die Wasser- und Fetteinlagerungen. Und ja, das ist alles normal, in allen Variationen – kein Grund, jedes Mal auszuflippen und alle Manieren über Bord zu werfen, sobald eine Schwangere den Weg kreuzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.