Lobbyismus in der Union: „Anfälligkeit für Einflussnahme“

Der Obmann der Union im Landwirtschaftsausschuss hat nur noch 7 statt rund 30 Nebenjobs. Reicht da die Zeit für das Bundestagsmandat?

ohannes Roering, CDU, Mitglied des Deutschen Bundestages spricht mit zwei Männern

Nicht mehr ganz so viele Nebenjobs: CDU-Agrarpolitiker Johannes Roering Foto: Inga Kjer/photothek.net/imago

BERLIN taz | Der wegen Interessenkonflikten und Ämterhäufung kritisierte CDU-Agrarpolitiker Johannes Röring hat die meisten seiner umstrittenen Nebentätigkeiten aufgegeben. Auf seiner Internetseite nannte der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Dienstag nur noch 7 statt wie früher ungefähr 30 Nebentätigkeiten.

Der Deutsche Bauernverband etwa bestätigte der taz, dass Röring keine Funktion mehr innerhalb der Organisation habe. Er war dort Präsidiumsmitglied und Vorsitzender des Fachausschusses Schweinefleisch, während er im Bundestag Gesetze für die Branche beschloss.

Röring rangierte bislang unter den Top Ten der Bundestagsabgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften. Neben seiner Diät von rund 10.000 Euro pro Monat nahm er laut abgeordnetenwatch.de von Ende 2017 bis Juli 2020 mindestens 693.000 Euro ein. Der Naturschutzbund nannte ihn als Beispiel dafür, wie eng die Landwirtschaftspolitik mit dem Bauernverband verflochten sei. Kritiker fragten, wie er bei so vielen Nebentätigkeiten noch sein Bundestagsmandat vollständig ausüben könne.

Jetzt sagte Röring der taz: „Ich habe nur noch sehr wenige Nebentätigkeiten.“ Das liege vor allem daran, dass er die Präsidentschaft des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) abgegeben habe. „Wenn man dort Präsident ist, dann kriegt man wie ein Weihnachtsbaum alles Mögliche angehängt, was noch dazugehört“, so Röring. Da er diese Funktion nicht mehr habe, seien „natürlich alle anderen Ämter damit weggefallen“.

Johannes Röring, cdu

„Wenn man dort Präsident ist, dann kriegt man wie ein Weihnachtsbaum alles Mögliche angehängt, was noch dazugehört“

Das betreffe seinen Posten im Kuratorium der Firma QS Qualität und Sicherheit, die das gleichnamige Prüfzeichen für Lebensmittel vergibt. Auch bei der Ini­tia­tive Tierwohl sei er nicht mehr aktiv. Seinen Hof, von dem der Großteil der Nebeneinnahmen stammte, habe er vor zwei Jahren seinem ältesten Sohn vererbt, sagte Röring. Es habe sich auch immer nur um Einnahmen gehandelt, die zuweilen die Kosten nicht gedeckt hätten.

Im Alter muss man sich sortieren

Laut Rörings Internetseite ist er noch Vorsitzender der Stiftung Westfälische Landschaft, die zum Beispiel an Grundschulen Kinderbücher mit einem „realistischen“ Bild der Landwirtschaft finanziert. Sie ist aber laut Röring auch einer der wichtigsten Gesellschafter der Immobilienbank DZ Hyp, weshalb er immer noch im Aufsichtsrat dieses Hamburger Instituts sitze. Dafür kassierte er laut Bundestag 2019 mindestens 15.000 Euro.

In gleicher Funktion und für rund 7.000 Euro pro Jahr ist Röring beim LVM Pensionsfonds tätig. Vorsitzender des Aufsichtsrats ist er hingegen beim Deutschen Bauernverlag, der zum Beispiel die Bauernzeitung für Ostdeutschland herausgibt. Dotierung: mindestens 7.000 Euro.

Hat er sich wegen der Kritik an Interessenkonflikten zurückgezogen? „Nein. Nicht direkt“, antwortet Röring. „Aber ich bin wirklich in einem Alter, wo man auch ein bisschen sortieren muss.“

Der 61-Jährige kämpft gerade darum, dass ihn die CDU auch für die Bundestagswahl im September wieder als Direktkandidat aufstellt. Die 36 Jahre alte Schulleiterin Anne König tritt gegen ihn an. Hat er deshalb viele Nebentätigkeiten im Agrarbereich aufgegeben? Er bestreitet das, „weil ich das letztes Jahr gemacht habe, da war das ja überhaupt nicht bekannt, und ich war auch nicht davon ausgegangen, dass ich eine Gegenkandidatur bekomme“.

„Herr Röring hat ausgemistet, aber noch immer lukrative Positionen in landwirtschaftlichen Versicherungen, Pensionsfonds, Verlagen und Banken“, sagte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, der taz. Sie würden einflussreiche Agrarpolitiker engagieren, weil sie sich davon Vorteile versprächen. „Die Union hatte schon immer eine hohe Anfälligkeit für politische Einflussnahme, speziell in der Agrarpolitik hat das unrühmliche Tradition. Röring fährt runter, andere werden in seine Fußstapfen treten.“

An der Dominanz von Landwirten unter den Agrarausschuss-Mitgliedern der Union hat sich derweil nichts geändert: Immer noch sind 62 Prozent der CDU/CSU-Abgeordneten selbst aktiver Teil der Branche, die sie regulieren sollen. Bei den Grünen und der FDP sind es 25 Prozent, bei der SPD, der AfD und der Linken 0 Prozent.

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