Corona-Impfstoff für arme Länder: Indien first, andere second

Indien will erst die eigene Bevölkerung immunisieren und exportiert vorerst keine Coronavakzine mehr. Das trifft das globale Impfprogramm für arme Länder.

Männer laden große Kisten mit der Aufschrift "Covax" von einem Lastwagen

In Indien hergestellter Impfstoff, verteilt über das Covax-Programm, trifft in Somalia ein Foto: ap

MUMBAI taz | Bei der weltweiten Auslieferung von Corona-Impfstoffen kommt es zu immer größeren Verzögerungen. Seit dem vergangenen Donnerstag gibt es keine ­Impfstoffexporte mehr aus ­Indien, da das Land seine eigenen Immunisierungsbemühungen ausweitet.

Betroffen davon ist in erster Linie das globale Programm Covax, das 92 Länder mit niedrigem Einkommen weltweit den Zugang zu Covid-19-Impfstoffen ermöglichen soll. Denn laut WHO wird Covax zu großen Teilen vom Serum Institute of India (SII) beliefert, mit dem unter Lizenz produzierten Impfstoff von AstraZeneca, der in Indien als Covishield bekannt ist.

Indiens Außenministerium

„Es kann notwendig sein, die Lieferpläne von Zeit zu Zeit zu kalibrieren“

Die Ausfuhrbeschränkung könnte nach Medienberichten zwei bis drei Monate anhalten. Die indische Entscheidung fiel, nachdem in Indien die Corona-Infektionen wieder stark ansteigen. Unter anderem wurde in Indien eine neue Doppelmutationsvariante entdeckt.

Medizinethiker Anand Bhan findet den Stopp besorgniserregend. „Natürlich sind viele Länder bei der Versorgung mit Covid-19-Impfstoffen von Indien abhängig, so dass dies eine große Herausforderung darstellt“, sagt er der taz.

Über 60 Millionen Dosen exportiert

Das indische Außenministerium erklärt auf Anfrage, man habe „im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kein Verbot für den Export von Impfstoffen verhängt.“ Doch „in Anbetracht unserer derzeitigen Produktionskapazitäten und der Anforderungen der nationalen Impfprogramme kann es notwendig sein, die Lieferpläne von Zeit zu Zeit zu kalibrieren.“

Über 60 Millionen Dosen des lokal hergestellten Impfstoffs von AstraZeneca wurden bisher aus Indien exportiert. Das sind mehr als in Indien selbst verimpft worden sind – gut 55 Millionen Dosen. 17,7 Millionen Dosen Impfstoff aus Indien gingen bisher an Covax. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rechnet nun damit, dass es im März und April bei Covax zu Engpässen kommt.

Covax hat im ersten Quartal 2021 nach einer am Donnerstag veröffentlichten Übersicht weltweit 237 Millionen Impfdosen ausgeliefert. Es hat einen Vertrag über den Kauf von 1,1 Milliarden Dosen der Impfungen von AstraZeneca, die in verschiedenen Ländern unter kostenfreier Lizenz hergestellt werden, und dem US-Präparat Novavax, das ebenfalls in Indien produziert wird.

Das Serum Institute of India (SII) hat auch Lieferungen nach Brasilien, Großbritannien, Marokko und Saudi-Arabien verzögert. Die britischen Behörden sind in Kontakt mit Delhi, um 5 Millionen bestellte Dosen zu erhalten. „Die Produktion wird bis April/Mai um 30 Prozent gesteigert“, sagt ein Sprecher des Instituts der taz. Derzeit liegt die Produktionskapazität bei 60 bis 70 Millionen Dosen pro Monat und soll demnächst 100 Millionen erreichen. Über den Lieferstopp wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Auch weniger Impfstoff aus Südkorea kommt an

SII warnte allerdings vor einer Rohstoffknappheit, die sich auf die Produktion auswirkt. Geschäftsführer Adar Poonawalla führte dies auf US-Exportverbote für Inhaltsstoffe und Bestandteile zurück, vom Equipment bis zu chemischen Produkten.

Aufgrund von technischen Problemen werden auch Covax-Zulieferungen von in Süd­korea produziertem AstraZeneca-Impfstoff kleiner ausfallen. Insgesamt könnte das bis zu 90 Millionen Dosen betreffen. Unter den Ländern, die in der kommende Woche Lieferungen von Covax erwarten, sind Südsudan, Mauritius, Irak, Bosnien und Herzegowina sowie Jemen.

Um in Indien mehr Impfstoff zu produzieren, will sich nun in Mumbai das Haffkine Institute mit dem indischen Hersteller Bharat Biotech zusammenzuschließen. Mit dessen Impfstoff Covaxin hat sich Indiens Premierminister Narendra Modi impfen lassen, woraufhin die Nachfrage danach gestiegen ist. An Iran und Mauritius wurden vor dem Exportstopp bereits erste Dosen Covaxin geliefert.

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