Teilabriss der Schilleroper beschlossen: Abriss auf Raten

Eine Fassade des historischen Zirkusbaus in Hamburg droht einzustürzen. Der Bezirk erlaubt nun einen Teilabriss. Das dürfte die Eigentümerin freuen.

Rotunde der Schiller-Oper, zeltartiger Rundbau, links nur als Gerippe

Ein erster Teil von ihr muss abgerissen werden: die Schiller-Oper Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Dass von der Stadt gesetzte Fristen die Eigentümerin der Schilleroper auf St. Pauli kaum beeindrucken, ist mittlerweile immer weniger verwunderlich. Und so überrascht es kaum, dass sie auch diesmal nicht reagierte: Der Bezirk Mitte hatte die Eigentümerin verpflichtet, bis zum Montag dieser Woche die denkmalgeschützte Stahlkonstruktion zu sichern und zu stabilisieren. Doch passiert ist nichts. Nun jedoch entschied der Bezirk: Ein Teil der Schiller­oper wird abgerissen.

Das könnte auch das Ende des Gebäudes bedeuten, befürchtet die Schilleroper-Initiative, die sich für den Erhalt des teilweise denkmalgeschützten Baus einsetzt.

„Da bei den durch den Bezirk festgestellten Schäden an den nicht denkmalgeschützten Anbauten der Schilleroper Gefahr im Verzug ist, müssen diese teilweise zeitnah abgerissen werden“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirks Mitte, der taz.

Erst vor wenigen Wochen war das Absacken einer Fassade entdeckt worden. Die Folge: dicke Risse im Gemäuer, das sich immer weiter nach vorn neigt und Vorbeigehende oder -fahrende unter sich zu begraben droht. Seit Anfang März behindern Absperrgitter den Fußweg entlang des Gebäudes und die angrenzende Straße ist gesperrt.

Eigentümerin will alles abreißen

Während beim Betrachten des Gebäudes gut sichtbar ist, dass seit dem Aufstellen der Zäune keine weiteren Tätigkeiten vorgenommen wurden, hieß es auf Nachfrage beim Bezirk zuvor etwas kryptisch, das Ultimatum sei veraltet, weil mittlerweile neue Gespräche zu neuen Sicherungen des Gebäudes liefen. „Es passiert etwas“, sagte eine Sprecherin. Was genau, war bis Donnerstagnachmittag noch nicht zu erfahren.

Laut dem 2013 novellierten Gesetz sind Eigentümer verpflichtet, das Denkmal „im Rahmen des Zumutbaren“ denkmalgerecht zu erhalten, vor Gefährdungen zu schützen und instand zu setzen.

Unterbleibt die geforderte Instandsetzung, können sich Eigentümer:innen nicht auf die hohen Erhaltungskosten berufen. Sie können jedoch auf öffentliche Zuschüsse zur Erhaltung setzen.

Die Kulturbehörde soll die erforderlichen Arbeiten auf Kosten der Eigentümer:innen durchführen lassen, wenn die denkmalgerechte Sicherstellung nicht gesichert erscheint.

Bauarbeiten ohne Genehmigung kann die Kulturbehörde auf Anordnung unterbinden. Werden sie trotzdem fortgesetzt, kann die Behörde die Baustelle versiegeln oder die an der Baustelle vorhandenen Baustoffe, Bauteile, Geräte, Maschinen und Bauhilfsmittel „in amtlichen Gewahrsam bringen“.

Enteignungen sind zur Erhaltung eines gefährdeten Denkmals zulässig.

Nun also die Entscheidung: Der nicht denkmalgeschützte Teil darf abgerissen werden. Diese Maßnahme erfolge nun in enger Abstimmung zwischen Bezirk, Denkmalschutzamt und der Eigentümerin. „Parallel zu dieser Notmaßnahme sind Bezirk und Denkmalschutzamt weiter im engen Austausch zur Sicherung der denkmalgeschützten Stahlkonstruktion“, sagt der Bezirkssprecherin Weiland.

Dass dieser Teil des Gebäudes auch nach dem Abriss der anderen Anbauten erhalten bleibt, hält die Schilleroper-Initiative seit Längerem für abwegig. Bekannt ist, dass die Eigentümerin das denkmalgeschützte Gebäude nicht erhalten will. Allerdings entschied schon 2013 das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, dass der deutschlandweit einzigartige Stahl­skelettbau nicht abgerissen werden darf. Es handelt sich um den wahrscheinlich letzten noch erhaltenen festen Zirkusbau aus dem 19. Jahrhundert.

Die Schilleroper-Initiative hatte erst Anfang März die Vermutung geäußert, dass die Eigentümerin den Abriss des Denkmals durch einen Trick durchsetzen will. Wie aus der Senatsantwort auf eine Anfrage der linken Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann bekannt wurde, will die Eigentümerin die anliegenden Gebäudeteile im ersten Schritt abreißen.

Das aber könnte dafür sorgen, dass die denkmalgeschützte Stahlkonstruktion einen Abriss der umliegenden Teile wohl nicht überleben werde. „Somit wäre die Eigentümerin durch die Hintertür endlich doch die ganze Schilleroper los und könnte das Filetgrundstück komplett neu bebauen“, beklagte die Initiative.

Die Stadt könnte selbst eingreifen

Die Eigentümerin äußert sich öffentlich weiterhin nicht. Die Pläne, mit denen ihre Schilleroper-Objektgesellschaft an die Öffentlichkeit getreten war, sahen drei neue Häuser vor. Neben einer an die Gestalt des Zirkusbaus angelehnte Rotunde mit Arbeitsstätten und einem Hof als Treffpunkt sollen zwei sieben- und zehngeschossige Wohnhäuser entstehen. Weil das Gebäude ohnehin schon so marode sei, ergebe der Schutz des Denkmals wenig Sinn.

Mehrfach hatte die Kulturbehörde in den vergangenen Jahren Ultimaten an die Eigentümerin gestellt, ohne dass es zu nennenswerten Reaktionen kam. Erst im Dezember war eine neuerliche Frist abgelaufen: Die Eigentümerin sollte das Gebäude wenigstens gegen einen weiteren Verfall sichern. So hatte es ein Vergleich vor dem Verwaltungsgericht vorgegeben.

Dabei hat die Stadt auf Grundlage des Denkmalschutzgesetzes eigentlich die Möglichkeit, selbst Sicherungsmaßnahmen durchzuführen, wenn Ei­gen­tü­me­r:in­nen nicht tätig werden. 2016 war das auch schon einmal bei einer denkmalgeschützten Villa an der Elbchaussee geschehen. Bei der Schilleroper verweist die Kulturbehörde auf Nachfrage der taz recht mutlos auf hohe rechtliche Voraussetzungen.

Sollte die Initiative recht behalten, dass die denkmalgeschützte Rotunde einen Abriss der Nebengebäude nicht überlebt, dürfte die am Absperrzaun auf einem Plakat geäußerte Forderung „No more deadlines“ hinfällig werden. Das Ende der Schilleroper rückt jedenfalls näher.

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