Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wer für den NDR sprechen darf

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Ein Kommentar ist ein Kommentar. Der NDR weist sogar immer extra darauf hin. Am Sonntag durfte die freie Autorin Cora Stephan auf der NDR-Website ihre Meinung zu den staatlichen Pandemiemaßnahmen darlegen. Die schrillsten Töne der Querdenken-Bewegung vermeidet sie. Stattdessen schlägt die Autorin, die eine linksradikale Vergangenheit hat, sich heute aber auch im neurechten Milieu bewegt, sanfte Töne an.

Der Titel „Es geht um Staatsbürger, nicht um Untertanen“ lässt sich als Referenz an Heinrich Manns Romanfigur Diederich Heßling lesen, den obrigkeitshörigen „Untertan“ aus der wilhelminischen Zeit. Die Bundesrepublik wäre dann das Pendant zum autoritären Kaiserreich.

„Reden wir mal nicht über das Versagen der Bundes- und Landesregierungen, einzelner Minister, der Kanzlerin. Dazu ist im Grunde alles gesagt“, beginnt Stephan ihren Text. Aber sagen muss sie es trotzdem noch mal: „Der Umgang mit der Coronakrise und erst recht die Impfstrategie sind ein Trauerspiel für ein Land, das man einst rühmte für seine Effizienz. Und nun?“ Armes Deutschland. Stephan antwortet selbst: „Nichts klappt.“

Ihre Kritik an den Hygieneregeln trifft weniger deren Inhalt als den angeblich entmündigenden Gestus: „Reden wir also über uns. Über uns Menschen und über uns Staatsbürger. Als Menschen sind wir offenbar nicht mehr in der Lage, uns selbst zu schützen, müssen wie die Kinder zu Hygiene angehalten werden und uns zeigen lassen, wie man sich die Hände wäscht – und lassen uns schließlich von den Kindergärtnern der Nation erzählen, dass wir uns vor einem ‚Piks‘ nicht fürchten müssen.“ Das ist moderat formuliert, aber in der Sache nichts anderes als die Schmähung aus der Querdenken-Bewegung: „Schlafschafe“ werden dort jene genannt, die die Regeln für vernünftig halten. Stephan bezeichnet sie als „Kinder“ – und die Regierenden als „Kindergärtner“.

„Bereitwillig“ hätten „wir“ Untertanen/Ex-Staatsbürger, „hart erkämpfte Errungenschaften aufgegeben“, nämlich „Grundrechte. Demokratie. Rechtsstaat“. Als läge es nicht im Wesen der repräsentativen Demokratie, dass die Regierung entscheidet, vom Parlament kontrolliert. Als würden nicht jede Woche Geg­ne­r:in­nen der Corona-Schutzmaßnahmen von ihrem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen. Als würden nicht vom Amtsgericht bis zum Staatsgerichtshof immer wieder Einschränkungen kassiert. Da wird es problematisch für einen gebührenfinanzierten Text.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Vor drei Jahren gehörte Stephan, die für den Blog „Achse des Guten“ und das Magazin Eigentümlich frei schreibt, zu den Erstunterzeichnenden der „Gemeinsamen Erklärung 2018“ gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Sie zog ihre Unterschrift zwar später zurück, gehörte aber laut der Wochenzeitung Die Zeit dem Kreis der Initiator:innen an – zusammen mit dem Chefredakteur der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit.

In ihrem jüngsten Buch „Lob des Normalen“, stellt Stephan „die Normalen“ gegen die „Meinungshabenden“, die Intellektuellen oder „Influencer“. Letztere seien in der „Krisenzeit“ „verzichtbar“. Stephan und ihren Kommentar hielt man beim NDR offenbar nicht für verzichtbar. Die Öffentlich-Rechtlichen sorgen sich zunehmend darum, dass sie als zu links wahrgenommen werden. Dem mit Kommentaren wie dem von Stephan entgegenzuwirken, wäre übers Ziel hinausgeschossen.