Eritreas Armee kämpft in Tigray: Äthiopien gibt es zu

Vorwürfe wegen massiver Verbrechen in Tigray werden lauter. Nun gibt der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed Eritrea eine Mitschuld.

Bewaffnete Soldaten in eriträischen Uniformen auf der Ladefläche eines LKW

Soldaten in eritreischen Uniformen nahe der Stadt Adigrat in Tigray, 14. März Foto: Baz Ratner/reuters

NAIROBI taz | Wiederholt hat Äthiopien bestritten, dass Truppen aus dem benachbarten Eritrea nach Tigray gezogen sind, um dort als Verbündete der äthiopischen Armee gegen die bisherigen lokalen Machthaber zu kämpfen. Am Dienstag gab der äthio­pische Premierminister Abiy Ahmed es endlich zu.

Abiy sagte, dass die Anwesenheit der Eritreer den Bewohnern Tigrays „Schaden“ zugefügt hat. Auch äußerte Abiy sich über die in Tigray gemeldeten Gräueltaten und erkannte damit zum ersten Mal an, dass Kriegsverbrechen in der nordäthiopischen Region stattgefunden haben könnten.

Seit November kämpft Äthio­piens Regierung in Tigray ­gegen die abgesetzte Regionalregierung der „Tigray-Volksbefreiungsfront“ (TPLF), deren Streitkräfte als Milizen in den Untergrund gegangen sind, vor allem in den Bergen.

Krieg sei „eine böse Sache“, sagte Abiy in der lokalen amharischen Sprache und fügte hinzu: „Wir kennen die Zerstörung, die dieser Krieg verursacht hat. Ungeachtet der TPLF-Propaganda der Über­treibung wird jeder Soldat, der für die Vergewaltigung unserer Frauen und die Plünderung von Gemeinschaften in der Region verantwortlich ist, zur Re­chenschaft gezogen, da seine Mission darin besteht, sie zu schützen.“

Immer neue Berichte und Vorwürfe

So kommt offenbar langsam die Wahrheit über die Situation in Tigray heraus. Humanitäre Helfer und Journalisten berichten seit Wochen über eritreische Truppen in Tigray, es gibt viele Fotos und Videos von ihrer Anwesenheit. Mit den immer neuen Berichten und präzisen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen und Plünderungen in Tigray wurde es schließlich unmöglich für Abiy, das zu bestreiten.

Nicht nur äußerte sich die internationale Gemeinschaft kritisch über die Anwesenheit der Eritreer – das taten auch manche Äthiopier. Schließlich führten Äthiopien und Eritrea zwischen 1998 und 2000 einen blutigen Grenzkrieg gegeneinander, an der Grenze zwischen Eritrea und Tigray. Die TPLF dominierte damals Äthiopiens Regierung, und seitdem hegt Eritreas Präsident Isaias Afewerki einen tiefen Groll gegen die TPLF. Aber auch Zehntausende Äthiopier verloren in dem Krieg gegen Eritrea ihr Leben.

Abiy verneinte nun, dass die eritreischen Truppen auf seine Einladung hin nach Tigray gekommen seien. Er sagte, Eritreas Regierung argumentiere, dass ihre Truppen bloß die Grenze sichern, während äthio­pische Truppen die TPLF-Milizen verfolgen. Aber eritreische Truppen sind auch in Städten weit weg von der Grenze gesehen worden.

Die Frage, wer für mögliche Gräueltaten in Tigray verantwortlich gemacht wird, könnte für Abiy noch wichtig werden. Die äthiopische Menschenrechtskommission EHRC bestätigte am Mittwoch in einem neuen Bericht Vorwürfe internationaler Menschenrechtsgruppen, wonach Massaker in der Stadt Axum Ende November über 100 zivile Opfer gefordert hätten.

Es könnte sich hierbei um Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit handeln, so die EHRC, die vor allem eritreische Soldaten dafür verantwortlich macht, aber auch Vorwürfe gegen äthio­pische Truppen erhebt.

Premierminister Abiy steht momentan nicht nur in Tigray unter Druck. Auch anderswo im Land ist es zunehmend unruhig. Die rund 120 Millionen Äthiopier sind verteilt auf mehr als 80 Ethnien, Äthiopien ist ein Bundesstaat auf ethnischer Grundlage, in dem immer wieder politische Konflikte als Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen ausgetragen werden.

Ende voriger Woche soll es laut der Zeitung Addis Standard zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Amhara und Oromo gekommen sein, die zwei größten Ethnien des Landes. Beide Seiten beschuldigen einander, angefangen zu haben.

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