Studie zu Kunststoffen in Kosmetik: Verseucht mit Plastik

Greenpeace weist in Hunderten Kosmetikprodukten Mikroplastik nach. Besonders hoch ist die Konzentration in Augen-Make-up und Lippenstiften.

Lippen, die rot angemalt worden sind und einen Kussmund formen.

Diese Lippen muss man nicht unbedingt küssen, drauf ist möglicherweise Mikroplastik Foto: imago

BERLIN taz | Ob Lippenstift, Augen-Make-up oder Puder: viele Kosmetikprodukte enthalten Kunststoffe. Dass Plastik in Kosmetik eher die Regel als die Ausnahme ist, zeigt eine am Montag veröffentlichte Studie der Umweltorganisation Greenpeace. Knapp drei Viertel der 664 untersuchten Produkte von beliebten Kosmetikmarken sind aus Kunststoffen – 73 Prozent davon beinhalten flüssiges, halbfestes oder lösliches Plastik, der Rest festes Mikroplastik. Diese Kunststoffe gelangen letztlich über den Abfluss in den Wasserkreislauf und verteilen sich durch Wind und Regen bis in die Böden hinein – denn Klärwerke können Mikroplastik oft nur unzureichend herausfiltern.

Zunächst untersuchte Greenpeace die Inhaltsstofflisten auf verschiedene Plastiksorten hin: Produkte der Marken Maybelline, Deborah, Sephora, Wycon, und Lancôme enthielten laut der Studie besonders oft Kunststoffe. In einem zweiten Schritt analysierte die Organisation elf ausgewählte Produkte im Labor genauer.

Am häufigsten stellten die For­sche­r*in­nen Plastik in Augen-Make-up fest, gefolgt von Lippenstift und Lipgloss, Make-up, Highlighter und Puder. „Dadurch können Ver­brau­che­r*in­nen Mikroplastik leicht einatmen oder verschlucken – zum Beispiel, indem sie den Lippenstift ablecken“, sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace der taz. „Das ist sehr beunruhigend, denn es gibt immer mehr Hinweise, dass Mikroplastik Zellbarrieren wie die Blut-Hirn-Schranke oder die Plazenta überwinden und so Entzündungen auslösen könnte.“

Umweltverbände fordern Verbot von Plastik in Kosmetik

Tatsächlich sei bisher aber erst wenig darüber bekannt, wie sich Mikroplastik auf die Gesundheit des Menschen auswirkte, so Wohlgemuth. „Für eine Blindstudie mit Experimental- und Kontrollgruppen ist es zu spät, denn es gibt keine Person, die kein Mikroplastik in ihrem Körper hat.“

Viola Wohlgemuth, Greenpeace:

„Dass es auch anders geht, zeigt die Naturkosmetik“

Pro Woche nehme ein Mensch etwa fünf Gramm Mikroplastik auf – zum Beispiel über Lebensmittel, Getränke aus Plastikflaschen oder die Luft. Das Gefährliche: „Mikroplastikpartikel sind wie eine Art Schwamm, Schadstoffe wie etwa Pestizide können sich daran anlagern und dann abgegeben werden, wenn der Mensch die Partikel zu sich nimmt“, erklärt Wohlgemuth.

Sowohl Greenpeace als auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) fordern die Bundesregierung dazu auf, Kunststoffe in Kosmetika zu verbieten. Bisher ist der Verzicht darauf freiwillig. „Der Ansatz der Politik, auf freiwillige Selbstverpflichtung der Firmen zu setzen, ist klar gescheitert“, sagt Wohlgemuth. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) müsse ein klares Ende von Plastik jeder Konsistenz in Kosmetik vorantreiben, auf deutscher wie auf EU-Ebene. Derzeit wird in der EU nur ein Verbot von festem Mikroplastik in Kosmetikprodukten verhandelt. „Das bringt aber wenig, denn Kosmetika enthalten größtenteils flüssige Kunststoffe“, sagt Wohlgemuth. „Dass es auch anders geht, zeigt die Naturkosmetik.“

Der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel ist nicht grundsätzlich gegen Plastik: „Anders als feste Kunst­stoffpartikel tragen gelöste Polymere nicht signifikant zu einer Verschmutzung der Meere bei und sind für Menschen gesundheitlich nicht bedenklich.“ Dem ­Verband zufolge sei ein nationales Verbot „nicht notwendig“, da bereits EU-weite Beschränkungen diskutiert würden. Auch das Bundesumweltministerium lehnt ein nationales Verbot ab.

Kunststoff in Kosmetikprodukten sei „keine Gefährdung für die Gesundheit des Menschen“, erklärte die Kosmetikfirma Maybelline. Auch bei der Verschmutzung der Meere spielten Kosmetika mit Mikroplastik eine untergeordnete Rolle.

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