das ding, das kommt
: Das große Ei des Unterschieds

Beschäftigt Kunst, Künstler und mythologische Hasen seit immer schon und darum auch immer mal wieder ähnlich: das beinahe gewöhnliche Ei Foto: Stadtmuseum Schwabach/dpa

Kann man Eier plagiieren? Ostereier selbstverständlich nicht. Die Idee des Brauchtums widersetzt sich der Rede vom Original, und damit entfällt logisch auch die von der Kopie. Es geht in ihm um den Anschein, dass alles weiter so ist, wie es war, dass alles ursprünglich und -tümlich bleibt: Ihre Innovationen muss sie eher verbergen, als sie auszustellen und zu feiern.

Eine historisch-kritische Geschichte des Eierbemalens, möglichst ab ovo erzählt, könnte interessant sein. Aber für die Praxis ist sie unerheblich. Für die muss weiter gelten die Vorstellung, dass wir das schon immer so gemacht haben. Ausgeblasen und gefärbt und verziert, mit Kratztechnik, mit Miniaturpinseln, mit Abzugsverfahren, mit Klebe- und Färbemitteln, mit Fettstift, mit Kreiden, mit Lacken … Und dann aufgehängt. Schön. Und keines gleicht dem anderen!

Aber jenseits davon ist das Ei als Zeichen des Ursprungs und der Erneuerung auch eine individual-künstlerisch bearbeitete Form. Das weltschönste Eiergedicht – es stammt von der Hamburger Dichterin Lisel Mueller, ist 1981 in ihrem Band „The Need to Hold Still“ erschienen und heißt schlicht „Eggs“ – bestimmt zum Beispiel den Akt, ein Ei zu verspeisen als Geste der Regression: „When we eat eggs, we return“, heißt es da.

Dieser gibt sich Mueller aber nicht hin. Stattdessen reflektiert ihre kleine Hymne sie in einem sanft ironischen Ton, der mythologische Abgründe – Leda, Troja, Weltenbrand – und platte gesundheitsvorsorgliche Bedenken zusammenbringt: „Heart attacks are forgotten / when the delicious, dangerous yellow / is rich and smooth as paint in the can / and the tasteless, foam-rubber white transformed by a pinch of salt“: Also: „Herzinfarkte sind vergessen, / wenn das leck’re gefährliche Gelb / wie in die Schale gemalt ist / und das geschmacklose Schaumgummi-Weiß verwandelt / durch eine Prise Salz“: Da ist sie im Ton ganz nahe bei Klopstock. Und das ist zweifellos originell.

Originell ist auch, was der Bremer Künstler Armin Kölbli seit der Jahrhundertwende macht: Monumentale Zement-Eier, in die Brief-Botschaften aus aller Welt eingelassen wurden, hat er an bedeutungsschwangere Orten installiert, im ewig umkämpften Jerusalem, kurz nach dem Bürgerkrieg in Mostar, nach dem GAU in Tschernobyl; ja doch, und auch in Ostereistedt. Eng verwandt damit wirkt, was die Bremer Dom-Gemeinde ab Sonntag vor den Pforten ihres Gotteshauses aufbaut: ein Riesenei, in das Be­su­che­r*in­nen Briefe einwerfen können. Ausgedacht habe sich das ein gewisser Thomas Hirte, der bislang als Luftballonformer auffällig wurde, aber nun als „Bremer Künstler“ firmiert. Wo der bloß seine Ideen her nimmt? Wäre das am Ende ein Riesen-Sauer-Ei? Aber das böse P-Wort zur Bezeichnung des allzu freien Umgangs mit dem oft schwer fassbaren geistigen Eigentum anderer hat ja eine liebe lustige kleine Schwester, die Parodie. Und die gibt es, wie jedes Original, in der Ausführung gut und schlecht. Und darauf scheint es hier hinauszulaufen.Benno Schirrmeister