Klage gegen australische Regierung: Klimapolitik vor Gericht

Um einen Präzedenzfall zu schaffen, wollen Jugendliche den Ausbau einer Kohlemine stoppen. Eine Studentin fürchtet den Wertverlust von Kapitalanlagen.

auf eine riesige Kohlehalde schüttet eine große Maschine Kohle auf

Australische Kohle: Wirtschaftlich wichtiges Exportgut, aber enorm klimaschädlich Foto: Daniel Munoz/reuters

CANBERRA taz | Acht Teenager und eine fast 90 Jahre alte Nonne – diese ungewöhnliche Gruppe ­ versucht vor einem australischen Gericht, Umweltministerin Sussan Ley das Recht abzusprechen, neue Kohleprojekte zu bewilligen. Für die 16-jährige Schülerin Anj Sharma ist klar: Die oberste Umweltpolitikerin Australiens hat eine Sorgfaltspflicht gegenüber kommenden Generationen, die von der eskalierenden Klimakatastrophe betroffen sein würden. „Wir sind diejenigen, die mit den Entscheidungen leben müssen, wir müssen die nächste Generation unter diesen Entscheidungen großziehen“, so Sharma.

Die Schülerin ist Hauptklägerin in einem Prozess, der Geschichte machen könnte. Weil Kinder alleine nicht klagen können, wird sie von der 86-jährigen Nonne Brigid Arthur begleitet. Die Gruppe hat die Unterstützung bekannter Juristen, die sie „pro bono“ vertreten. Ziel ist, Ley das Recht abzusprechen, den geplanten Ausbau der Kohlemine Vickery im Norden des Bundesstaates New South Wales zu bewilligen. Die Expansion dieser schon heute massiven Anlage würde den Ausstoß von zusätzlich 100 Millionen Tonnen CO2 bedeuten – etwa 20 Prozent der Klimagasproduktion Australiens. Der Staat ist einer der weltweit größten Kohle- und Gasexporteure. Trotz wachsendem internationalem Druck und enormem Potenzial für erneuerbare Energien will die Regierung die Fossilienindustrie ausbauen.

Ein Sieg vor Gericht wäre ein Präzedenzfall mit Folgen für den gesamten Wirtschaftszweig. Juristen zeigen sich vorsichtig optimistisch. Sie verweisen auf Entscheide in anderen Ländern. So hatte 2015 ein niederländisches Gericht befunden, die Regierung sei verpflichtet, Angesicht der Klimaerhitzung die Menschenrechte der Bürger zu schützen.

Anj Sharma und ihre Gruppe von Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen sind nicht die ersten, die den Schritt vor Gericht wagen. Katta O’Donnell, Jurastudentin an der Deakin University in Melbourne, hatte nach einer Vorlesung „erkannt, dass solch langweilige Dinge wie Rentenkassen und Staatsanleihen einen Einfluss darauf haben, wie die Welt die Klimakrise angehen kann“, erzählt sie der taz. Darauf zog die heute 24-Jährige gegen ihre Regierung vor Gericht. In einer Sammelklage wirft O’Donnell Canberra vor, das Volk nicht über die Risiken aufzuklären, welche die Klimakatastrophe für Kapitalanlagen habe – allen voran Staatsanleihen.

Klimakrise gefährdet Altersvorsorge

Anleihen sind ähnlich wie Aktien. Aber statt in Unternehmen zu investieren, leihen Investoren der Regierung Geld, damit diese etwa Infrastruktur oder Gesundheitsversorgung finanzieren kann. In Australien hat sie fast jeder Arbeitnehmer im Altersvorsorge-Portefeuille. Wie Aktien können Anleihen an Wert verlieren, etwa wenn Anleger die Fähigkeit einer Regierung in Frage stellen, das Geld wegen hoher Staatsverschuldung zurückzuzahlen. Laut dem Ökonomen Rob Henderson könnte der Wert auch durch „Reputationsrisiken“ beeinträchtigt werden, da Investoren zunehmend Anleihen aus umweltverschmutzenden Ländern meiden. Dieses Risiko gefährde ihre Kapitalanlage, sagt O’Donnell. Das ist mehr als eine Hypothese: Die schwedische Zentralbank hat sich 2019 von Staatsanleihen der australischen Bundesstaaten Queensland und Westaustralien getrennt. Der Grund: die Furcht vor den Folgen des Klimawandels.

„Die australische Regierung weiß, dass Klimawandel auch massive wirtschaftliche Folgen haben wird“, sagt O’Donnell. „Sie verschweigt das aber.“ Die angehende Juristin nennt die katastrophalen Waldbrände im vergangenen Jahr als Beispiel. Schäden in Milliardenhöhe seien entstanden, für die nun der Staat aufkommen müsse.

Angst um die Zukunft des Planeten

Die junge Studentin räumt ein, dass die Sorge um ihre Altersvorsorge nicht ihr Hauptmotiv ist. Sie habe Angst um die Zukunft des Planeten. Canberra habe im internationalen Vergleich bescheidene Emissionsreduktionsziele. Gleichzeitig ist das Land laut Experten wie keine andere westliche Nation bereits von den Folgen der Klimawandels betroffen. „Das Große Barriere-Riff etwa ist wegen Korallenbleiche schon zu 50 Prozent tot“, klagt O’Donnell.

Für die Rechtsprofessorin Jaqueline Peel von der Melbourne University ist O’Donnells Klage von historischer Bedeutung, „weil sie den Klimawandel mit einem realen finanziellen Risiko verbindet, was den Finanzsektor aufhorchen lassen könnte“, wie sie gegenüber dem Sender ABC sagte. Peel glaubt, die Klage könnte rund um die Welt ähnliche Prozesse auslösen. Die australische Regierung hat offiziell keine Stellung bezogen.

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