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: internationaler frauentag

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Wie geht es
Frauen* in der
Coronapandemie?

Schwangerschaft und Geburt in Isolation, Aktivismus im Ruhezustand und die Pflege am Limit: Viele der gesellschaftlichen Bereiche, die in den vergangenen Monaten aus den Fugen geraten sind, treffen Frauen* besonders. Drei Protokolle

Unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen dürfen Väter aktuell im Kreißsaal dabei sein Foto: Waltraud Grubitzsch/dpa

„Ohne uns stehen
alle Räder still“

Foto: privat

Ariane Müller

66, arbeitet seit 1974 im Krankenhaus, seit 1981 auf der Intensivstation in Bremen-Mitte. Sie engagiert sich beim Bündnis für mehr Krankenhauspersonal und ist eine von Bremens Frauen des Jahres 2021.

Corona hat uns alle überrannt. Als im März 2020 die Covid-19-Zahlen in Deutschland und auch in Bremen immer mehr stiegen, wurden innerhalb von wenigen Stunden sehr viele Pa­ti­en­t*in­nen von der Intensivstation 1 zu uns auf die Intensivstation 2 verlegt. Auf der Intensivstation 1 wurden quasi panikartig freie Betten für Covid-Patient*innen geschaffen.

Ich persönlich habe 40 Jahre Intensiv-Erfahrung, mich kann so leicht nichts mehr erschüttern. Für jüngere Kol­le­g*in­nen ohne oder mit wenig Erfahrung war es aber eine große Herausforderung und teilweise auch eine Überforderung, dass sie von jetzt auf gleich mit neurochirurgischen Pa­ti­en­t*in­nen arbeiten mussten, etwa Menschen mit Gehirntumoren oder -blutungen, auf die wir auf unserer Station nicht vorbereitet waren.

Damals war teilweise die Rede von Hunderten schweren Covid-19-Fällen, die auf die Krankenhäuser zukommen würden. Ich habe das als überfallartiges Kommando empfunden. Und weil die ganze Logistik noch nicht aufgebaut war, klappte anfangs vieles überhaupt nicht. Auch bei uns war viel zu wenig Schutzmaterial vorhanden – wir mussten zum Teil FFP2-Masken aus dem Baumarkt tragen, die fürchterlich gejuckt haben und nicht richtig saßen. Die Devise war, diese ein bis zwei Wochen zu tragen und zum Trocknen aufzuhängen, wenn sie feucht wurden. Ich erinnere mich noch an die Bilder der ganzen Masken, die vor den Zimmern lagen. Mittlerweile fühle ich mich fast schon nackt, wenn ich ohne Maske aus dem Haus gehe.

Dass jetzt in Folge des Stellenabbaus bei der Gesundheit Nord auch im Krankenhaus Bremen Mitte in dieser Situation Stellen abgebaut werden sollen, ist paradox. Obwohl die examinierten Pflegekräfte nicht davon betroffen sind, werden auch wir die Folgen spüren, weil wir die Arbeit der anderen, etwa die der Versorgungsassistent*innen, übernehmen müssen. Aufgrund von Personalmangel haben wir auf unserer Station zur Zeit nur 16 Betten, am Wochenende sogar nur acht. Die dadurch entstehende Verlegung der Pa­ti­en­t*in­nen bedeutet für uns zusätzliche Arbeitszeit. Wir als Pflegekräfte sollten ein größeres Bewusstsein der Stärke haben, denn ohne uns stehen alle Räder still. Schon heute werden viele Pa­ti­en­t*in­nen nicht mehr täglich gewaschen, das ist genauso wie Pausen für das Pflegepersonal zeitlich nicht mehr drin. Covid-19 hat auf die Spitze getrieben, wie schlimm die Lage in der Pflege ist.

Unter der Coronapandemie leiden aber nicht nur die Pflegekräfte, sondern alle in den Krankenhäusern beschäftigten Menschen, also auch das Reinigungspersonal und die Ver­sor­gungs­as­sis­ten­t*in­nen – alles Berufe, die oft von Frauen gemacht werden. Ich kenne mindestens vier Kol­le­g*in­nen auf der Intensivstation und viele aus anderen Bereichen, die sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus infiziert haben und noch immer mit den Folgen kämpfen.

Deshalb sehe ich mich bei der Wahl zu einer der Bremer Frauen des Jahres auch als Stellvertreterin für alle von Frauen geprägten Berufsgruppe im Krankenhaus. Ich war immer schon politisch aktiv und habe die Power dafür, deshalb arbeite ich ja auch noch, obwohl ich eigentlich letzten Sommer in Rente hätte gehen können. Aber ich fühle mich fit und gehe tatsächlich immer noch sehr gerne zur Arbeit. Teresa Wolny

„Die Schwangerschaft war geprägt von Sorgen“

Foto: privat

Steffi Hampe

36, wohnt mit ihrem Sohn Taavi in Hamburg. Mit seiner Geburt im Dezember 2020 ist sie zum ersten Mal Mutter geworden. Sie ist als politische Gewerkschaftssekretärin zuständig für politische Bildungsarbeit.

Für mich war Corona schon ein Thema, bevor ich schwanger wurde. Ich hatte aus Angst vor der Erkrankung aufgehört zu rauchen, weil ich meine Lunge schonen wollte. Manchmal glaube ich, dass ich auch deshalb schwanger geworden bin – mein Körper war auf einmal viel gesünder. Die Nachricht, dass ich schwanger bin, kam Mitte April im ersten Lockdown, als ich im Homeoffice war. Der Vorteil war zwar, dass ich im Büro nichts erzählen musste, aber gleichzeitig dachte ich: Oh Gott, wie soll das jetzt werden?

Meine größte Sorge war immer, dass ich dieses ungeborene Leben schützen muss. Oft habe ich nächtelang gegoogelt, was eine Infektion für Kinder und Schwangere bedeutet. Bis zur 24. Woche müsse ich unbedingt durchhalten, dachte ich – denn es heißt, dass die Kinder ab da überlebensfähig sind, wenn sie rauskommen. Ich habe mich zurückgezogen und war super vorsichtig. Die Schwangerschaft war also geprägt von Sorgen. Wegen der Kontaktbeschränkungen haben mir auch auf körperlicher Ebene die Menschen gefehlt, die mir Zuversicht hätten geben können. In den Arm genommen zu werden oder mit der besten Freundin abends auf dem Sofa abzugammeln und Filme zu gucken, ging nicht. Ich fand es furchtbar, als mich eine Freundin gefragt hat, ob ich mir schon eine Liste gemacht hätte, was ich vor der Geburt noch alles machen will – auf ein Konzert, ins Kino gehen oder abends noch mal ausgehen – das war alles nicht möglich.

Die schlimmste Einschränkung während der Schwangerschaft – und auch jetzt mit dem Kind – ist der fehlende Austausch mit anderen Müttern. Beim Geburtsvorbereitungskurs saß ich vor dem Bildschirm und habe der Hebamme irgendwelche Atemübungen nachgemacht. Durch die größere Distanz in Online-Kursen hat es bis zum letzten Termin gedauert, bis wir Teil­neh­me­r:in­nen Nummern ausgetauscht haben, um uns in besseren Zeiten zu treffen.

Zu zwei Frauen aus der Gruppe habe ich noch Kontakt und wir gehen manchmal spazieren. Wenn man stillt, sind solche Treffen aber zeitlich sehr begrenzt, denn das Kind hat alle zwei Stunden Hunger. Cafés sind zu und im Winter bei minus zehn Grad kann man schlecht draußen stillen.

Auch bei der Babymassage steht mein Rechner jetzt zu Hause an der Wickelkommode. Ich finde es extrem traurig, weil ich oft denke, dass ich das alles gerade zum ersten Mal mache – und weil ich 36 bin, wahrscheinlich auch zum letzten Mal. Es ist schade, das alles nicht noch mal anders erleben zu können.

Was mich und andere Schwangere oft umgetrieben hat, war die Frage, ob der oder die Part­ne­r:in bei der Geburt dabei sein kann. Ich weiß von Frauen, die während der ersten Welle alleine entbinden mussten, und es war mein größter Horror, dass mir das auch passiert. Wegen der Maskenpflicht gab es eine absurde Situation, als ich nach der Geburt wieder ins Zimmer kam, wo mein Freund mit dem Baby gewartet hat. Als wir uns zu dritt in diesem intimen Moment zum ersten Mal alle sehen konnten, wurde er sofort von der Hebamme angepampt, dass er seine Maske aufsetzen muss. Ich bin absolut keine Gegnerin der Masken, aber in Momenten, wo man emotional so offen ist wie bei der Geburt, wäre es schön, ohne ein Stück Stoff dazwischen in Gesichter schauen zu können.

Taavi ist jetzt in dem Alter, wo er andere Gesichter toll findet, und ich würde gerne, dass er auch mal andere Leute sieht. Das geht aber nicht, weil wir niemanden treffen können. Obwohl ich nicht glaube, dass er einen Schaden davontragen wird, finde ich es auch für den Kleinen schade, dass wir so viel allein sind. Außer dem Baby meiner Schwester kennt Taavi keine anderen Kinder. Auch nicht, bei jemand anderem auf dem Arm zu sein. Ich hoffe, dass er nicht irgendwann ein Kind wird, was bei anderen sofort anfängt zu schreien. Teresa Wolny

„In der Öffentlichkeit kommen wir gar nicht vor“

Foto: privat

Maike-Sophie Mittelstädt

31, studiert Mathe, ist Vorstandsmitglied beim Verein Trans*Recht e. V., Sprecherin des Queerpolitischen Beirats Bremen, Mit-Organisatorin des Queerfilmfestivals und Landesvorstandsmitglied der Grünen.

Im Moment geht es mir relativ gut. Ich habe ruhige, geordnete Tage mit wenig nervenden Menschen. Was unschön ist, ist meine finanzielle Situation. Ich bin Studentin und arbeite nebenbei. Die Verwaltungsarbeit beim Verein Trans*­Recht läuft normal weiter – aber die andere Hälfte hängt mit der Kino- und Kulturbranche zusammen, das läuft schleppend.

Bei Trans*­Recht funktioniert die normalen Eins-zu-eins-Beratung und die von Familien oder Paaren unter besonderen Hygiene­bedingungen aktuell ganz gut. Vollkommen zusammengebrochen sind die analoge Community und die offenen Beratungssprechstunden. Wir hatten eigentlich immer einmal monatlich offene Beratungs­sprechstunde, ein sehr niedrig­schwelliges Angebot. Da ist unheimlich schwer abschätzbar, wie viele Leute wir deswegen nicht mehr beraten können. Außerdem sind offene Räume enorm wichtig, weil wir so als Beratungsstelle näher dran sind an den Problemen, die die Leute gerade beschäftigen. Zum Beispiel, wie sie mit ihrer Psychotherapie zurecht kommen, die wir ihnen vor drei Monaten vielleicht mal empfohlen haben. Da melden sich die Menschen meistens nicht wieder und sagen: „Hey, habt ihr noch einen Therapeuten?“, sondern das erfährt man eher im Kneipengespräch. Diese Formate finden jetzt digital statt, aber es ist sehr, sehr viel kleiner. Und online gehen Gefühle und die Gemeinschaft verloren – und es sind eben auch nicht alle onlineaffin.

Neben den Kontakten selbst sind Veranstaltungen für die Community auch enorm wichtig, um nach außen sichtbar zu sein; für die Unterstützung in der Öffentlichkeit, wo wir aktuell de facto gar nicht vorkommen! So war der Christopher Street Day letztes Jahr recht klein, es gab gar keine Stände. In der Kulturbranche fehlt es auch, dass Leute auf queere Themen gestupst werden. Wenn alle nur noch Netflix schauen, schauen sie sich eben dort die Hetero-Menschen an – und nicht die Filme, die sie sich im City 46 oder in der Schauburg vielleicht angeschaut hätten, weil sie gerade laufen und interessant klingen. Das ist aber wichtig für ein gegenseitiges Begegnen und dafür, dass Lebensrealitäten von queeren Menschen auch in der heteronormativen Gesellschaft ankommen, was filmisch eben oft gut verarbeitet ist.

Worunter die queere Community aktuell auch leidet, ist, dass es politisch in den ganzen aktuellen Maßnahmen wenig Sichtbarkeit gibt für alternative Lebensformen. Die ganzen Kontaktbeschränkungen sind geschrieben aus der Sicht der deutschen Kleinfamilie, die eine andere deutsche Kleinfamilie treffen will. Und wenn ich mich mit sechs Menschen treffen möchte, ist das gar nicht möglich, weil wir dann aus vier verschiedenen Haushalten kommen. Das führt zu Vereinzelung, denn viel spielt sich bei uns außerhalb der Familie oder auch der Wohngemeinschaft ab.

Ich wünsche mir für die Community bald eine vernünftige Öffnungsperspektive. Sei es, dass wir uns zu fünft im Park treffen dürfen. Denn ich glaube, dass es für alle Menschen, die vor Pandemiebeginn geoutet waren, schon geht. Aber für die, die mit ihren Outings noch gewartet haben, ist die Situation nicht leichter geworden – weil es schwierig ist, sich in der Community zurechtzufinden, wenn die Möglichkeiten zu partizipieren nicht groß sind. Alina Götz